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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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ermunterte ihn Fredo. »Zieh dir lieber etwas Hübsches an. Falls Katrin auch zum Zugucken kommt.«
    Sie alberten noch ein bisschen herum, dann widmete sich Briegel der Frühstückszubereitung, und Fredo ging unter die Dusche. Das Erfrischungsgefühl danach hielt nur wenige Minuten an, dann brach ihm bereits wieder der Schweiß aus. Schwül, schwül, schwül.
    Da lag etwas in der Luft.

NEWSFLASH FAMILIE FRIED:
Karla: @ Tim: Es mieft aus deinem Zimmer. Man braucht eine Gasmaske, wenn man da reinwill.
Tim: Komm rein, und es knallt! (Bleistiftzeichnung einer Explosion, aus deren Wolke einzelne Körperteile fliegen – unter anderem ein Kopf mit unverkennbarem Karla-Gesicht.)

    »Guten Morgen! So früh auf?«, erkundigte sich Fredo beim Betreten der Küche ebenso überrascht wie überflüssigerweise, als er seine Nichte bereits am Tisch vorfand – wäre sie nicht so früh auf, würde sie wohl kaum hier sitzen. »Ist einfach zu heiß im Bett heute, was? Ich konnte auch nicht mehr schlafen.«
    »Ja«, antwortete Karla einsilbig und betrachtete weiter die letzte Botschaft im NEWSFLASH.
    Fredo sah ihr über die Schulter. »Gibt’s was Neues?«
    »Tim ist einfach ekelhaft. Ich hasse ihn – jeden Tag ein Stück mehr!«
    Sie hielt ihm das Heft aufgeschlagen hin. Fredo warf nur einen kurzen Blick darauf und ging kopfschüttelnd weiter zur Kaffeemaschine, die bereits gemütlich vor sich hin röchelte.
    »Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ihr euch früher so angezickt hättet.«
    »Haben wir auch nicht«, gab Karla zu. »Aber da war Tim noch klein und niedlich.«
    »Du auch.«
    »Ja, aber ich bin immer noch niedlich.«
    Fredo lachte amüsiert auf. »Du bist sicher eine Menge, Karla. Aber ›niedlich‹ ist eher nicht dein Attribut.«
    »Findest du, dass ich gut aussehe, Onkel Fredo?«
    Beschäftigen sich heute alle mit ihrem Aussehen?, fragte sich Fredo und wollte schon zu einer launigen Antwort ansetzen, da bemerkte er den forschenden Blick, den das Mädchen aus ihren silberhellen Schlittenhundaugen auf ihn richtete – und spürte ihre Unsicherheit. Sie meint es ernst, bremste er sich gerade noch.
    »Du siehst nicht gut aus, Karla«, begann er vorsichtig und sah schon, wie sie enttäuscht an ihrer Unterlippe nagte. »Gut aussehen, das sagt man zu einem Mädchen, das so aussieht wie … na, wie zum Beispiel diese Juliane aus deiner Klasse.«
    »Schon klar.«
    Karla wollte aufstehen und die Küche verlassen, doch Fredo hielt sie zurück. »Gut aussehen, das sagt man, wenn sich sonst nicht viel sagen lässt. Wenn alles glatt ist wie abwaschbare Folie, einseitig bedruckt. Wenn nichts von innen nach außen gelangt – weil innen nicht viel ist und außen nur ein Abziehbild.«
    Sie dachte kurz darüber nach und nickte dann. »Ich verstehe, was du meinst. Und ich weiß, dass ich so nicht bin. Aber wie sehe ich dann aus?«
    Fredo schenkte sich einen Kaffee ein, pustete genüsslich ins heiße Gebräu und zwinkerte seiner Nichte über den Becher hinweg zu. »Wenn ich dir das sage, willst du mich sofort wieder küssen. Und wenn ich zu lange darüber nachdenke, will ich dich küssen. Und das geht nun wirklich nicht.«
    Jetzt lachte Karla amüsiert auf. »Nein, das geht wirklich nicht! Trotzdem danke, Fredo.«
    Sie wandte sich ab und ging zur Tür. Von hinten sah Fredo eine honigmelonenfarbene Haarwolke, ihre zierliche, harmonisch gerundete Figur und den energischen Schritt einer Frau, die wusste, was sie wollte.
    »Karla.«
    Sie blieb im Türrahmen stehen und sah sich fragend nach ihm um.
    »Du bist sehr schön.«
    Karla lächelte strahlend, warf ihm elegant eine Kusshand zu und verschwand aus der Küche.

    Gesche öffnete weit ihr Wohnzimmerfenster, um etwas Luft hereinzulassen. Obwohl auch im Schlafzimmer und im Bad alle Luken offen standen, spürte sie kaum einen Hauch. Die Wärme stand wie eine feuchte Mauer in ihrer kleinen Dachwohnung. Bei solchem Wetter kippen die Leute reihenweise mit Herzkasper um wie die Fliegen, dachte sie. Bloß ich natürlich nicht. Wäre ja auch zu einfach. Und einfach, nun ja, so ist das Leben nicht. Jedenfalls nicht meins.
    Gesche trat vor den hohen Wandspiegel, zupfte ein paar Strähnen an der Frisur und ihr luftiges Sommerkleid zurecht. Wie sie sich früher gefreut hatte, wenn es endlich warm genug war, so etwas zu tragen! Hitze machte ihr selten etwas aus. Der erste Sommertag war für sie immer ein Versprechen auf die Zukunft gewesen. Diesmal fehlte ihr dieses Gefühl eines Neubeginns

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