Mogelpackung: Roman
wissen.
»Jetzt entscheidet das Elfmeterschießen«, erklärte Briegel. »Jede Mannschaft bestimmt fünf Schützen. Da bringt Köhler deinen Sohn bestimmt. Bei so einem Hammerschuss, wie ihn Daniel hat, kommt er nicht an ihm vorbei.«
Sie wechselten hinüber zum Schauplatz des Elfmeterduells, wo Wolfgang Köhler im Kreise seiner Mannschaft stand. Schon beim Näherkommen beobachteten sie, wie der Coach mit einzelnen Spielern redete, worauf sich der jeweils Angesprochene von seinen Mitspielern absonderte und zum ausgewählten Torraum schritt. Eins, zwei, drei, vier, fünf Jungen in blauem Trikot. Knödel war wieder nicht dabei. Der dicke Junge ließ sich auf den Rasen plumpsen, die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Wolfgang Köhler trat zu den Zuschauern hinters Tor. Doch bevor Fredo und Briegel ihn ansprechen konnten, kam Knödel mit erwartungsfroher Miene auf seinen Trainer zu.
»Coach, dem Tobi ist plötzlich sauschlecht geworden. Er will nicht schießen, hat er gesagt! Darf ich jetzt?«
Tatsächlich verließ einer der Auserwählten soeben mit fahlem Gesicht den Sportplatz.
»Hau ihn rein, Tiger!«, mischte sich Fredo ein, und Briegel bekräftigte: »Vollspann, wie im Training!«
»Du schießt nicht, Daniel!«, bestimmte Köhler. »Hier gilt immer noch das Leistungsprinzip!«
Das hörte Knödel nicht mehr, denn neben ihm gab der Schiedsrichter mit einem ohrenbetäubenden Pfiff das Signal zum Showdown. Köhler wollte dem Jungen nach, aber Helena hielt ihn an der Schulter zurück, kochend vor Wut.
»Dein ganzes Gesülze über Leistung, Disziplin, Lebenssinn und von Gott gestellten Aufgaben ist doch dummes Gelaber! Du bist ein aufgeblasenes, selbstsüchtiges, eitles Arschloch.«
»Hätte ich nicht besser sagen können«, freute sich Fredo.
Köhler fuhr zu ihnen herum, giftig wie eine Natter. »Sie halten sich da raus, Herr Fried – Sie Weiberheld!«
»Frauenflüsterer heißt das heute. Aber Sie sind ja sowieso von gestern«, grinste Fredo frech, was Helena schon wieder zum Lachen brachte. Diese Reaktion gab Köhler den Rest. Sein Zorn richtete sich umgehend gegen die Kollegin.
»Und du bist wohl kaum die Richtige, um mir Selbstsucht und Eitelkeit vorzuwerfen, Helena Richter!«
Helena stand da wie schockgefrostet. »Woher …«, flüsterte sie entsetzt.
»Ich habe gestern mit deiner vorigen Arbeitsstelle telefoniert! Und dabei mit deinem Gatten gesprochen. Der dich sehnlichst vermisst. Verstehe gar nicht, warum.« Plötzlich bemerkte Köhler, dass um sie herum alle Zuschauer erwartungsvoll auf einen kleinen, dicken Jungen in blauem Trikot blickten, der soeben Anlauf auf den Elfmeterpunkt nahm.
»Du nicht!«, schrie Köhler und rannte armfuchtelnd in den Strafraum. Aber da hatte Knödel schon abgezogen. Vollspann. In perfekter Schusshaltung. Mit der festen Vorstellung, nicht bloß gegen den Ball zu treten, sondern voll durchs Leder hindurch. Die Granate zischte dem Coach entgegen und erwischte ihn frontal im Gesicht. Das Klatschen des Aufpralls überlagerte gnädigerweise das Knacken seines brechenden Nasenbeins. Während der Ball abprallte und im Strafraum ausrollte, flog Köhler rücklings zu Boden wie ein gut getroffener Kegel.
»Treffer, versenkt«, murmelte Fredo.
Vor dem Tor herrschte Chaos. Köhler rappelte sich auf, hielt sich die Hand vor die blutende Nase, wehrte alle Hilfsangebote barsch ab und trabte in Richtung Umkleidekabine. Spieler und Zuschauer bedrängten den Schiedsrichter, die Situation zu entscheiden – allen voran Briegel Schulz, der seinen massigen Körper bedrohlich vor dem Mann mit der Pfeife aufbaute.
»Der Kerl hatte auf dem Spielfeld nichts zu suchen! Der Elfer muss wiederholt werden!«, forderte Briegel, bis der Schiedsrichter schließlich nachgab und auf Neustart des Elfmeterschießens entschied. Die Blauen und ihre Anhänger jubelten. »Antreten!« Briegel rief Daniels Mannschaft mit der natürlichen Autorität eines Leibes- und Seelenbändigers zusammen, und die Jungen folgten willig. »Euer Coach ist verhindert. Ich übernehme. Daniel, du nagelst den ersten Elfer rein. Der Torwart hat jetzt richtig Angst vor dir, der macht sich freiwillig klein. Ihr anderen lauft dem Schuss bitte nicht in den Weg …«
Johlend klatschten die Jungen Beifall, die Zuschauer verzogen sich wieder an den Spielfeldrand.
»Ist er nicht super?«, schwärmte Katrin und himmelte den Riesen mit leuchtenden Augen aus der Ferne an.
»Briegel hat es drauf«, schmunzelte Fredo
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