Mohnblumenmond (Gay Urban Romance) (German Edition)
zumindest höher. Trotzdem hatte Julian für sich entschieden, dass eine professionelle Musikkarriere nicht mehr für ihn in Frage kam.
„Danke, ich melde mich wieder.“
Kaum hatte Julian aufgelegt, beschlich Chris Moon ein Gefühl der Unruhe. Julian hatte so kurz angebunden reagiert und abrupt aufgelegt, dass ihn irgendetwas bedrücken musste. Machte er sich immer noch Gedanken um seine Entscheidung bezüglich des Managements? Chris kannte Bodo lange genug, um zu wissen, dass der niemals einen fremden Manager, zumal einen Amateur wie Richard Weidner, an seiner Seite dulden würde, ganz egal, wie gut dessen Künstler war. Bodo war ein As in seinem Job, ohne Zweifel, aber leider auch verdammt skrupellos.
Okon sah seinen Kollegen zweifelnd an. „Schlechte Nachrichten von Julian? Du siehst irgendwie bedrückt aus.“
„Nicht direkt, aber ich denke, ich sollte Julian unbedingt besuchen.“
„Soviel Sehnsucht?“, unkte der Nigerianer.
„Das auch“, grinste Chris. Einweihen wollte er den Farbigen nicht, zumal er sich selbst nicht sicher war, was ihn beunruhigte. Im Augenblick überlegte er, ob er nicht lieber mal mit Richard Weidner, Julians Vater sprechen sollte. Der befand sich ja immer noch in München. Es konnte nicht schaden, den Mann mal kennenzulernen, von dem er bislang eine wenig gute Meinung gehabt hatte. Er zog sich in sein Zimmer zurück und griff zum Handy.
„Herr Weidner?“, fragte er, als sich eine melodische Männerstimme meldete.
„Mein Name ist Chris Moon. Ihr Sohn ist ein sehr guter Freund von mir und hat mich gerade angerufen. Hätten Sie Interesse, mit mir gemeinsam an den Bodensee zu fahren und Julian zu besuchen? Er hat mir einiges von Ihnen erzählt. Vielleicht könnten wir uns dabei auch gleich näher kennenlernen, gerade wenn es um unsere musikalische Zukunft geht?“
„Würde mich freuen, Chris. Ich hatte sowieso vor, mit euch zu sprechen und auch Julian zu besuchen. Wann passt es dir?“
„Wie wäre es mit sofort? Ich bin in zwanzig Minuten reisefertig.“ Chris wusste genau, dass Bodos Treffen mit Julian am nächsten Tag stattfinden würde. Daher wollte er unbedingt rechtzeitig vor Ort sein. Ein paar Stunden Fahrt waren es schon bis Friedrichshafen.
„Okay. Du könntest schon mal die Hotelzimmer buchen und ich tanke den Wagen voll? Bin dann so in einer halben Stunde bei dir.“ Pünktlich auf die Minute wartete Richard Weidner in seinem silbergrauen Audi vor der Bandvilla, wo Chris gerade mit einem Rucksack in der Hand die Stufen heruntersprang. Wieder trug er Lederjacke und Baseballkappe. Aber es war ihm auch egal, ob gerade in diesem Moment ein Reporter ein Foto schießen würde. Er stieg eilig in den wartenden Wagen.
„Lassen Sie uns bitte einen kleinen Umweg fahren und dann erst aus der Stadt – wegen der Papparazzi“, bat er den Mann am Steuer, der ihn freundlich begrüßte. „Okay, ganz wie du meinst“, grinste Richard jetzt. Sein neuer Job als Manager schien ja aufregend zu werden. „Sag Bescheid, wenn du irgendwelche Verfolger entdeckst.“ Doch an diesem Abend blieben sie unbehelligt von neugierigen Blicken. Dafür erhielten Julians Vater und sein Freund jede Menge Zeit, sich gegenseitig zu beschnuppern.
* * *
Während der stundenlangen Fahrt merkte Chris schnell, dass Julians Vater gar kein so übler Kerl war, wie er zuerst angenommen hatte. Der Lehrer zeigte keinerlei Berührungsängste, weder aufgrund seiner Prominenz noch aufgrund des Altersunterschiedes. Im Gegenteil: Richard Weidner erzählte dem jungen Mann auf dem Beifahrersitz ungeniert von den Fehlern seiner Jugend, seiner Feigheit, sich gegenüber den eigenen Eltern durchzusetzen und all seinen geplatzten Träumen. Kummer und Lebenserfahrung sprachen aus seinen Worten. Erst als er seine neue Freundin Nadja Wagner auf einer Konferenz kennengelernt hatte, sei sein Leben in geordnete Bahnen gelenkt worden. Sie war es auch gewesen, die ihn durch die Zeitungen auf die Karriere seines Sohnes aufmerksam machte und ihn gebeten hatte, die Sache mit seinem unehelichen Sohn endlich ins Reine zu bringen. Nadja war zwar zehn Jahre jünger als er, aber sehr sensibel. Sie spürte, dass dies ein dunkler Punkt in seiner Vergangenheit war, der ihn bis heute belastete. Also versuchte er, mit Julians Mutter in Kontakt zu treten. Allerdings sei Monika Kossler verdammt stur, was seine Versuche dazu anging, fügte er noch bitter hinzu. Chris hatte schweigend zugehört und musste Julian insgeheim
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