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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Seite. Nach dem Frühstück folgen hektische Vorbereitungen für die Besteigung eines nahe gelegenen Berges mit dem urgermanischen Namen Kosmatitza, sagenhafte 1758 Meter hoch und, geht man nach den Pfarrbüchern der zuständigen Gemeinde Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk, zwar im Jahr 1878 erstmals von zwei französischen Alpinisten bezwungen, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nie von georgischen, albanischen, tschetschenischen oder afghanischen Schweißfüßen betreten. Seile und Karabiner liegen bereit, Pickel und Steigeisen sind gewetzt, die Sauerstoffflaschen gefüllt, und mit Peitschenknallen und warnenden Zurufen dirigieren uns unsere Sklaventreiber den Berg hinan.
    Nun, es ist – abgesehen von Sibel natürlich – eine traurige Karawane, die da zu Berge zieht: schwitzende, japsende, keuchende, quengelnde Jugendliche, Unternehmungsunlustige Missgelaunte Faulpelze, die den Sinn der Übung nicht erfassen. Wozu macht das, fragt Adolphe, schon nach einer halben Stunde schweißgebadet. Was denn, fragt der Onkel, nachdem der Tross zum Stehen gekommen ist. Na, Berg hinaufgehen, keucht Adolphe. Damit ma von oben die schene Aussicht genießen konn, gibt Hans fröhlich zurück. Um sich n’ gemeinsames Ziel zu setzen, lautet des Onkels pädagogischer Ansatz. Bewegung tut gut, antwortet der sportliche Tony. Oben es wird euch bestimmt gefallen, kommt es ermutigend von Zakia. Nur Haluk, dessen sonst so perfekter Scheitel ein wenig in Unordnung geraten ist, schweigt keuchend, Mira keucht schweigend.
    Der Berg ruft, als wir weitermarschieren, und ich rufe zurück, und der Berg ruft wieder, und ich singe dem Berg ein Lied: Ich wandre fremd von Land zu Land, so heimatlos, so unbekannt, Berg auf, Berg ab, Wald ein, Wald aus, doch bin ich nirgendwo zu Haus. Und hinan, hinan führt uns der Weg, und als wir schließlich den Gipfel erreichen und der Blick sich auftut auf Berge und Täler und Wiesen und Wälder, da sind dann doch einige meiner lieben Mitbewohnerinnen und -bewohner beeindruckt von der Schönheit der Natur. Der Onkel holt das Gipfelbuch aus seinem Metallbehältnis, notiert mit deutscher Gründlichkeit Datum und genaue Uhrzeit und listet alle vertretenen Nationalitäten auf, auf dass die Erinnerung an diesen historischen Moment auch für kommende Generationen erhalten bleibe. Andere Wanderer erreichen bald nach uns den Gipfel, es sind Eingeborene, sie mustern uns mit staunenden Blicken. Wir kommen vom Mond, flüstere ich einem von ihnen zu. Ach so, antwortet er.
    Für den Abstieg wählen wir einen anderen Weg, wir kommen bald an eine Weggabelung. Ist das denn meine Straße, o Bächlein, sprich, wohin, singe ich, doch das Bächlein, das munter neben uns dahinplätschert, es spricht nicht mit mir, vielleicht schreckt es sich ob meines dunklen Teints. Nach Kartenstudium und eingehenden Beratungen fällt die Entscheidung für den rechten Weg. Das ist würdig und recht, gebe ich meinen Segen dazu. Der Weg führt stetig bergab, auch das ist würdig und recht, der Wald wird immer dichter und dichter, das Grün feuchter und üppiger. Ach, Grün, du böse Farbe du, was siehst mich immer an, so stolz, so keck, so schadenfroh, mich armen, armen schwarzen Mann? Über dem Wald tauchen zu beiden Seiten Felswände auf, das Tal wird enger und enger, Mira und der Onkel äußern Zweifel ob des Weges. Meine Stimme hallt wider von den Wänden: In die tiefsten Felsengründe lockte mich ein Irrlicht hin, wie ich … Ali, unterbricht mich Hans entnervt, konnst du nit endlich mitn Singen aufhearn! Ja, bitte, schließt sich die verräterische Mira an. Okay, okay, gebe ich mich der geballten Ignoranz geschlagen. Schweigend zieht die Karawane weiter, vorn kein Reiter, hint’ kein zweiter, und endlich, endlich taucht ein Wegweiser vor uns auf: Einen Weiser seh’ ich stehen, unverrückt vor meinem Blick, eine Straße muss ich gehen, die noch keiner … Ali, bitte, unterbricht diesmal der Onkel meinen Gesang, und bald darauf hat uns das Haus wieder, und die vorher geschmähte Einfachheit unserer Unterkunft ist mit einem Mal allen lieb und teuer.
    Das Postkartenwetter bleibt uns hold, es folgen weitere Wanderungen zu höheren Gipfeln und Ehren. Wann immer wir anderen Wanderern begegnen, werden wir bestaunt, wie man im Tiergarten Schabrackentapire oder Koboldmakis bestaunt, und wenn wir dabei auch noch Kärntner Lieder zum Besten geben, dann wirft man uns sogar ein paar Leckerbissen über den unsichtbaren Zaun, der uns

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