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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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hinzu. Als ich kurze Zeit später mit dem Onkel im Schlepptau aus dem Haus trete, ist der Jägersmann bereits wieder auf den Beinen und putzt sich ab, der andere hält beide Gewehre in der Hand und wirft Yaya wüste Schimpfwörter an den Kopf. Was ist passiert, fragt der Onkel, und sechs oder sieben Leute legen gleichzeitig los. Der junge Jäger und Yaya sind die Einzigen, die schweigen, der eine scheint zu verdattert zum Sprechen, der andere, immer noch von Adolphe und Djaafar festgehalten, wirkt, als wäre alles Leben aus ihm gewichen.
    Der Ältere droht mit der Polizei, der Jüngere wiegelt ab, der Onkel entschuldigt sich zum wiederholten Mal. Es war ein Missverständnis, sagt er, er erwähnt Yayas psychische Probleme. Gemeingefährliche Irre seien das, ereifert sich der Ältere, solche Leute gehörten eingesperrt, sein Kollege habe noch nie mit der Waffe auf Menschen gezielt und würde das auch nie tun, er selbst natürlich auch nicht, er habe nichts gegen Ausländer, aber so etwas dürfe nicht passieren, wenn jemand krank sei, dann gehöre er in eine Anstalt.
    Nachdem die beiden endlich abgezogen sind, versammelt der Onkel sein Team im Haus. Er schickt Hans und Mira mit Yaya in die Küche, ich folge ihnen. Er wollte Afrim schießen, murmelt Yaya vor sich hin, er wollte Afrim totmachen. Mehr ist aus ihm nicht herauszubekommen. Der Onkel und die anderen Betreuer haben unterdessen die Stube okkupiert. Ich suche mir einen Horchposten, doch leider sind die Stimmen nur sehr gedämpft zu vernehmen. Der Mann könnte uns verklagen, höre ich den Onkel sagen, dann haben wir ’n Problem, ’n großes Problem. Tony versucht, seinen Schützling zu verteidigen, doch der Onkel spricht von Gefahr, von Gefahr für andere, Gefahr für Yaya selbst, Gefahr aber vor allem für den Seelenfrieden der anderen Jugendlichen, wie er blumig formuliert. Sie diskutieren, was jetzt und hier mit Yaya zu tun sei, anschließend führt Tony ein langes Telefongespräch mit Dr. Davidovych, bei dem Yaya seit Monaten in Behandlung ist, dann ist von einem vorübergehenden Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Wien die Rede. Abends am Lagerfeuer finde ich schließlich heraus, dass Yaya seine Medikamente in Wien vergessen hat – deshalb also der wache Eindruck, den er in den vergangenen Tagen machte, deshalb aber auch die plötzliche Aggression. Später dann, das Feuer ist zusammengesunken, die meisten sind im Haus verschwunden, nur Haluk, Djaafar, Nino, Yaya und ich sitzen noch im Freien, beginnt Yaya zu sprechen. Ich hab’ sie getötet, sagt er leise und blickt zu Boden, seine rechte Hand spielt mit dem Amulett. Neinnein, du hast sie nicht getötet, niemand ist gestorben, versucht Haluk ihn zu beruhigen. Yaya beharrt darauf: Ich habe sie getötet. Haluk legt ihm eine Hand auf die Schulter und spricht beruhigend auf ihn ein. Komm, sagt er schließlich, gehen wir hinein. Yaya steht langsam auf und lässt sich ins Haus bringen. Vergesst bitte nicht, das Feuer zu löschen, wendet sich Haluk zu uns um, und wir nicken stumm. Jeder schaut gedankenverloren in die Flammen oder blickt den Funken nach, die in den Himmel steigen und zu neuen Sternbildern werden, und es ist gar nicht nötig, das Feuer zu löschen, denn wir bleiben sitzen, bis es von selbst erloschen ist.
    Die Unbeschwertheit der letzten Tage ist dahin, vorbei ist die Zeit der Schwerelosigkeit, die Erde zieht die Schwebenden wieder mit rasselnden Ketten zu Boden und zwingt sie in die Fußeisen, die wartenden. Dazu passt es, dass Tomo und Afrim, ausgelöst durch einen Radiobeitrag über den Kosovo, einander in die Haare geraten, es passt dazu, dass Yaya in der Nacht gleich zweimal schreiend aufwacht, und mit ihm das ganze Haus, dass Murad Nino wegen ihrer bauchfreien T-Shirts als Hure bezeichnet, dass Kamal ihm daraufhin eine Ohrfeige verpasst. Kamals Reaktion stößt auf Verwunderung und Belustigung, niemand hätte ihm so etwas zugetraut. Du bist Bodyguard von Nino, fragt Afrim beinahe anerkennend. Er ist verknallt zu Nino, kräht Djamila fröhlich, worauf das Kamel natürlich knallrot wird.
    Nicht nur Kamal straft Murad für seine Äußerung, auch die Götter zeigen ihre Missbilligung: Als wir nach dem Frühstück zu Berge ziehen, stolpert Murad und landet punktgenau in einer frischfeuchten Kuhflade. Die zugehörige Kuh, eine fahlbraune Dorfschönheit, blickt Murad aus einigen Metern Entfernung durch lange Kajalwimpern an, das Gelächter unserer Gruppe, das nicht enden will, ist ihr

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