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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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gedenke, meine schöne Sibel, o ja!
    Einsteigen, Türen schließen, Bus fährt ab! Wir reihen uns ein in die bunte Blechkarawane Richtung Süden, doch nicht gen Italien führt unser Weg, sondern in den schönen Freistaat an den Gestaden des Wörthersees, in Hans Pogatschniggs Heimat also. Seine Familie besitzt ein großes Forsthaus in einem stillen Seitental der Karawanken, dort soll unsere illustre Runde Bekanntschaft mit der österreichischen Bergwelt schließen.
    Doch zuerst einmal heißt es hinkommen. Nach zwei Stunden haben wir die ersten fünfzig Kilometer bereits hinter uns gebracht, was will man mehr? Im Frühstau zu Berge wir ziehen, fallera, singe ich munter, während wir im Schritttempo dahinrollen, gefolgt von Hoch auf dem gelben Wagen, sitz’ ich beim Onkel vorn, denn der hat auf dem Reiseleitersitz Platz genommen, ich sitze ihm im Nacken. Alfred, der Mann am Steuer, ist ein jovialer und durchaus nicht wortkarger Mann, der Onkel erfährt von ihm alles, was er garantiert nie wissen wollte, und auch die ersten drei oder vier Reihen hören mit, ob sie nun wollen oder nicht. Der Onkel mimt in seiner wohlerzogenen Art den aufmerksamen Zuhörer: Ach, tatsächlich, Is nich wahr, Nee, wirklich? Schau da den Scheiß-Pollacken an, schimpft Alfred über einen Autofahrer, der sich vor ihm in die mittlere Spur zwängt. Na, aber hallo, reagiert der Onkel ganz politisch korrekt, ob das n’ Pole ist oder n’ Österreicher oder n’ Deutscher, ist doch völlich unerheblich, Mann, doch Alfred hört ihm nicht zu, denn im selben Augenblick läutet sein Telefon. Ja hallo, Schatzimausi, wo bist’n grad?
    Eine halbe Stunde später, nachdem Schatzimausi aufgelegt hat, widmet Alfred sich wieder voll und ganz seinem Sitznachbarn. A Freind von mir, beginnt er zu erzählen, offensichtlich inspiriert von so vielen exotischen Gesichtern, der woa amoi mit ana Negerin zsamm, i waaß eh, des sagt ma net, aber i bin da net so haglich. Liab woas jedenfois, fesch woas und a Figur wiera Ansa. Und beim Tanzen, i sag das, wannst dera zuagschaut hast … waaßt eh, die ham des anfoch im Bluat. Owa mei Hawara, noch zwaa Monat woar der fertig, total fertig woa der. Waaßt warum? Nein, entgegnet der Onkel, aber es interessiert mich auch nich’. Doch Alfred interessiert wiederum des Onkels fehlendes Interesse nicht. Weu die Oide anfoch net zum davögeln war, fährt er ungebremst fort. No amoi, Schatzi, hat’s zum Hawara gsagt, no amoi, du machst des sooo super, dreimoi, viermoi, fünfmoi, bis von eam nix mehr da woa, gar nix mehr. Der hat ausgschaut zum Schluss, bist du gelähmt! Ringe unter die Augen, eingfallene Wangen, zehn Kilo weniger, wia der Itzig nach drei Jahr in Auschwitz. Aus, hat er gsagt, Schluss, und sie hat gwaant, oba a Wochen späda hots scho an neichn Hawara ghobt, waaßt eh, wias san.
    Bei den Pausen, die wir auf hoffnungslos überfüllten Raststätten einlegen, erweist sich Alfred dann als echter Gentleman der alten Schule und hilft den Damen, sowohl den erwachsenen als auch den jugendlichen, aus dem Bus. Djamila schenkt ihm ein glückliches Lächeln, Nino ein misstrauisches Stirnrunzeln, Sibel, meine schöne Sibel, telefoniert gerade und nimmt keine Notiz von Alfreds feuchter Fetthand, Amal schließlich wird von ihm besonders zuvorkommend behandelt. Bitteschön, gnädiges Fräulein, fasst er nach ihrem gut gepolsterten Händchen, ich bin natürlich wieder der Einzige, der bemerkt, dass sie unter der schwarzen Miene knallrot wird, doch Alfreds Blick, der speicheltriefend an Amals Achterdeck hängen bleibt, entgeht auch Mira und Tony nicht.
    Die Weiterfahrt wird zur Prüfung für den armen Mann. Der Onkel hat sich in eine der hinteren Reihen zurückgezogen, Alfred ist also seines direkten Ansprechpartners verlustig gegangen. Das scheint ihn anfangs nicht zu stören, denn er kramt für die vordersten Reihen munter weitere Anekdoten aus einem schier unerschöpflichen Fundus hervor und geizt auch keineswegs mit rassistischen Witzen. Iss Ihnen eigentlich kloar, doss kana zualost, fasst sich Hans schließlich ein Herz, als wir gerade die mit Blut geschriebene Grenze zu seinem herrlich’ Heimatland passieren. Zunächst einmal, man glaubt es kaum, ist Alfred ein paar Sekunden still. Bitte, sagt er dann, i muass ja net reden, i kriag ja net fias Reden zoit, sondern fias Foan. Ob i red oder net, die Marie is die gleiche, oba i bin halt a höflicher Mensch. Small Talk, durchs Reden kumman d’Leit zsamm, hat mei Mutter immer gsagt.

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