Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
möchtest.«
»Du hast Fische da?«
»Das will ich meinen.« Er deutet auf den See hinaus. »Und zwar da draußen. Riesige Forellen, die so zahlreich sind, dass sie nur noch im Kreis schwimmen, um nicht aneinanderzustoßen.«
»Wahnsinn.« Dann sehe ich seine gekräuselten Lippen und korrigiere mich schnell: »Ich meine, das ist praktisch, dann brauchen wir ja nur ein Netz in den See zu halten, und schon haben wir sie.«
Er lacht. »Ja, das sollte man meinen. Aber die Biester sind ziemlich schlau, sobald die ein Netz sehen, nehmen sie sofort eine Umleitung. Ich denke, wir werden es doch lieber mit der Angel versuchen.«
Wenig später sitze ich mit einem Glas Weißwein in der Hand auf dem Steg, knabbere Chips und sehe Alexander dabei zu, wie er routiniert einen Köder auf den Haken spießt und dann mit einem gekonnten Schwung die Angelschnur auswirft.
»So«, sagt er. »Jetzt müssen wir nur noch ein bisschen ruhig bleiben, damit sie herankommen.«
»Ruhig bleiben? Schlechter Plan.«
»Wieso?«
»Ich bin eine Frau, schon vergessen? Frauen können nicht ruhig sein.«
»Auch wieder wahr«, sagt er und verzieht das Gesicht. »Aber Selbstgespräche führst du doch nicht, oder?«
»Selbstgespräche? Nein – außer mein Handyakku ist leer.«
»Gut. Dann machen wir es folgendermaßen: Ich werfe oben den Grill an, und du hältst hier inzwischen die Angel, okay?«
»Die Angel halten? Ich denke, das kriege ich hin«, nicke ich. »Und was mache ich, wenn einer anbeißt?«
»Dann ziehst du ihn heraus und erwürgst ihn.«
»Ich soll ihn erwürgen?«
»Oder du hältst ihn einfach nur fest, bis ich wiederkomme«, bietet er an.
»Und du erwürgst ihn dann?«, frage ich, und wir müssen beide lachen.
Alexander drückt mir die Angel in die Hand, dann steigt er die Treppen zur Veranda hoch und verschwindet im Haus.
Okay, mal sehen. Es ist das erste Mal, dass ich angle, aber so schwer kann das ja nicht sein. Genau genommen muss man einfach nur dastehen und warten, bis einer anbeißt. Eine meiner leichtesten Übungen, das schaffe ich mit links.
Blöd nur, dass ich jetzt nicht mehr an mein Weinglas komme, das mindestens drei Meter von mir entfernt auf dem Tisch steht. Hm, wenn ich ganz langsam da rübergehe, werde ich die Fische doch wohl nicht verjagen, oder? Das wäre nämlich blöd, ich bin inzwischen dermaßen hungrig, dass ich einen ganzen Wal verschlingen könnte.
Vorsichtig mache ich einen Schritt zur Seite, und dann noch einen. So, gleich hab ich’s. Noch einen Schritt, und dann … zuckt es plötzlich.
Nanu, was war das denn?
Dann zuckt es noch einmal, diesmal stärker, und das kam eindeutig von der Angelschnur.
Herrje, da hat einer angebissen!
Okay, keine Panik, nur die Ruhe bewahren. Vom Fernsehen weiß ich, dass man nur an der kleinen Kurbel an der Seite der Angel drehen muss, um den Fisch heranzuholen, und dann … was weiß ich. Aber bis dahin wird Alexander wohl wieder zurück sein. Ich drehe also vorsichtig an der Kurbel, und im selben Moment zieht es wieder kräftig an der Leine. Das scheint ja ein Prachtbursche zu sein. Ich muss ihn noch weiter heranholen, und wenn Alexander ihn dann herausfischt, werde ich mich sicherheitshalber aufs Klo verziehen. Ich mag Fisch zwar, will aber trotzdem nicht dabei zusehen müssen, wie einer abgemurkst wird.
Ich packe die Angel fester, dann drehe ich wieder an der Kurbel. Da, es zieht schon wieder! Ha, der will abhauen! Nicht mit mir, Bürschchen, dein Pech, dass du unser Abendessen bist! Ich packe die Angel mit beiden Händen, und sicherheitshalber klemme ich sie auch noch zwischen meine Beine. So, das müsste reichen, der entkommt mir nicht mehr.
Wo bleibt bloß Alexander? Es kann doch nicht so lange dauern, einen Grill anzuzünden.
»Alexander!«, rufe ich, während meine Hände sich um die Angel verkrampfen. »Alexander!« Auf einmal fährt ein mächtiger Ruck durch meinen ganzen Körper. »Alexander!« Diesmal klinge ich schon ziemlich verzweifelt.
»Was ist denn?« Über dem Geländer der Veranda taucht Alexanders Kopf auf.
Gott sei Dank. Lange hätte ich diesen Monsterfisch nicht mehr festhalten können. »Ich habe einen an der Angel. Der muss riesig sein, so wie der zieee …« Das letzte Wort endet in einem Blubbern. Anscheinend hat der Fisch mächtig Anlauf genommen und sich dann mit seinem ganzen Gewicht gegen die Angelschnur geworfen, denn der Ruck kommt so überraschend und gewaltig, dass er mich binnen Sekundenbruchteilen wie eine Barbiepuppe
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