Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Dir.
PPS: Das Zimmer ist natürlich schon bezahlt.
Ich bin das Letzte. Ich bin wirklich das Allerletzte.
Lasse mich abfüllen und auf ein schäbiges Hotelzimmer (okay, das Sheraton ist nicht wirklich schäbig, aber im Prinzip läuft es doch aufs Selbe hinaus!) verfrachten und dann … keine Ahnung.
Es war sehr schön mit Dir.
Auf einmal schießen mir die Tränen in die Augen.
Wie konnte ich nur! Ich war mit einem anderen Mann auf einem Hotelzimmer, und er fand es sehr schön !
Ich lasse den Zettel achtlos zu Boden gleiten, dann greife ich wie in Trance nach meiner Handtasche, schlüpfe in meine Schuhe und trotte aus dem Zimmer.
Auf dem Flur begegne ich der kleinen Chinesin von vorhin. Sie zuckt zusammen, als sie mein Gesicht sieht.
»Oh, sein jetzt tlaulig? Mai Ling schuld, weil haben geweckt?«
Ich schüttle traurig den Kopf. »Mai Ling nix schuld. Molly selber schuld, weil Molly dumme Kuh!«
Sie sieht mir voller Mitgefühl nach, und als ich mit hängendem Kopf unten an der Rezeption vorbeischlurfe, kann ich aus den Augenwinkeln sehen, wie die Angestellten diskrete Seht-mal-die-Schlampe-von-gestern-Abend-Blicke austauschen.
Als ich im Freien bin, atme ich tief durch.
Was nun?
Am besten fahre ich erst mal nach Hause, nehme ein heißes Bad, ziehe mir frische Klamotten an und dann …
Ja, was dann? Kann ich überhaupt noch in die Firma? Ich bin gestern einfach weggeblieben, habe dazu noch idiotischerweise mein Handy ausgeschaltet und …
Mein Handy! Das ist es. Ich muss nachsehen, wer angerufen hat. Vielleicht ist es Clarissa ja noch gar nicht aufgefallen, dass ich weg war. Vielleicht war sie so mit ihrem Herrn Meier beschäftigt, dass sie gar nicht an mich gedacht hat.
Ich angle es aus der Tasche, schalte es ein und gebe den Pin-Code ein. Während ich warte, bis ich Empfang habe, geht ein älteres Ehepaar vorbei, und ich kann hören, wie sie ihm zuflüstert: »Das ist sicher eine Professionelle!«, woraufhin er interessiert die Augenbrauen hebt und murmelt: »Na, viel kann die ja nicht verdienen in dem Aufzug.«
Moment mal. Was soll das denn bitteschön heißen? Mein Kleid ist ganz schön sexy, und im Vergleich zu seiner alten …
Das Piepen meines Handys holt mich zurück. Okay, mal sehen, ob jemand angerufen hat. Als ich das Display aufklappe, lasse ich es beinahe fallen vor Schreck. Vierundzwanzig unbeantwortete Anrufe!
Ich öffne die Anrufliste und – erstarre.
Lissy hat es mehrmals versucht, und Tessa und Frederic. Mir wird ganz heiß. Und das Schlimmste von allem: dreizehn Anrufe allein von Clarissa! Gestern schon neun, und heute noch mal vier. Heute schon vier? Wie spät ist es denn überhaupt?
Ich blicke auf die Uhr, und mir wird ganz flau im Magen. Halb elf. Mist. Verdammter Mist. Ich bin nicht nur gestern von der Firma abgehauen, ich bin auch heute nicht rechtzeitig aufgetaucht. Unentschuldigt.
Okay, das war’s. Ich bin arbeitslos. Clarissa konnte mich von Anfang an nicht leiden, meine Umsätze sind mies, ich konsumiere für drei und schmeiße zwischendurch einfach so meine Arbeit hin.
Aus. Schluss. Vorbei.
Die Erkenntnis ist niederschmetternd. Mein Leben ist gelaufen. Ich bin vollkommen, restlos und endgültig fertig mit dieser Welt.
Ich habe keinen Job. Ich habe bald kein Haus mehr, in dem ich wohnen kann. Und vermutlich wird mich Frederic auch noch in die Wüste schicken, sobald er mich fragt, warum er mich letzte Nacht nicht erreichen konnte, und ich in Tränen ausbreche. (Ich weiß, dass ich das werde, ich bin nämlich die schlechteste Lügnerin der Welt.)
Völlig verzweifelt stehe ich da, und in meinem Kopf wirbeln die Gedanken durcheinander wie Schneeflocken in einem Blizzard. Was soll ich nur tun?
Ich muss mir eine Ausrede einfallen lassen, das ist es. Ich werde sagen, dass mich ein betrunkener Lastwagenfahrer aus Kasachstan angefahren hat, und dann habe ich eine Amnesie bekommen, weil er mich Mund-zu-Mund-beatmet hat …
Das nimmt sie mir nie ab.
Ich hab’s: Ich werde sagen, amerikanische Geheimagenten hätten mich entführt und in einem Flugzeug die ganze Nacht lang verhört, weil ich angeblich …
Vollkommener Schwachsinn. Da wäre der kasachische Lastwagenfahrer ja noch besser.
Ich … ich … ich hatte einen Mordsschnupfen!
Super, Molly, ganz große Klasse. Da wird Clarissa sicher mächtig beeindruckt sein.
Okay, ich werde sagen …
Während meine kleinen grauen Zellen noch rotieren, sehe ich aus dem Kiosk schräg gegenüber einen unrasierten Mann in
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