Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Jogginghose kommen, der gerade ein Anzeigenblatt aufschlägt.
Ich werde jetzt da rübergehen, mir auch so eine Zeitschrift kaufen und mir einen neuen Job suchen. Nanu, habe ich das gerade gedacht? Ich verharre unschlüssig. Hm, warum eigentlich nicht? Wer weiß, vielleicht ist ja gerade heute in dieser Ausgabe der Job meines Lebens inseriert. Und wenn ich schon dabei bin, könnte ich mich auch gleich nach einer neuen Bleibe für mich und Lissy umsehen, und sicher gibt es da auch Partnerannoncen … Wobei, noch hat Frederic mich ja nicht rausgeschmissen. Außerdem, wir lieben uns doch …
Auf einmal bin ich voller Tatendrang, und mit grimmiger Entschlossenheit überquere ich die Straße und betrete den Kiosk. Die Verkäuferin, eine gemütlich wirkende Frau in mittleren Jahren, unterhält sich gerade mit einer Kundin, während ein Mann in den Zeitschriftenregalen stöbert.
Als die Frauen mich erblicken, tauschen sie vielsagende Blicke aus, und als ich mein Gesicht in einem Spiegel im Hintergrund sehe, erkenne ich, warum. Ich habe mich überhaupt nicht zurechtgemacht seit meiner Flucht aus dem Hotel, dementsprechend stehen meine Haare zu Berge, und erst das Make-up. Au weia.
Ich murmle einen Gruß, dann geselle ich mich zu dem Mann am Zeitschriftenregal. Hastig zieht er seine Hand zurück, mit der er gerade ein erotisches Hochglanzmagazin aus einer der oberen Reihen ziehen wollte, stattdessen greift er nach einer Autozeitschrift und sagt deutlich vernehmbar: »Ah, da ist sie ja!«
Ich brauche nicht lange, dann habe ich gleich drei verschiedene Anzeigenmagazine gefunden. Das müsste reichen.
Als ich mich an den Tresen stelle, sagt die Verkäuferin: »Darf es sonst noch etwas sein? Eine Modezeitschrift vielleicht, oder Luftballons? Pfeifenreiniger hätten wir auch im Angebot.« Sie deutet dienstbeflissen auf ein entsprechendes Set mit einem Sonderangebots-Schild darauf.
Ich schüttle den Kopf und lege die Zeitschriften vor ihr ab. »Nein, danke, das wäre im Moment alles.«
»Macht dann sechs fünfundneunzig«, sagt sie ein bisschen enttäuscht.
Ich öffne mein Portemonnaie. Der magere Inhalt ist erschütternd. Ich beginne nach Kleingeld zu kramen, als plötzlich ein zusammengefaltetes Stück Papier herausfällt.
»Soll ich den kontrollieren?«, fragt die Frau.
»Kontrollieren? Wen denn?«
»Na, den Lottoschein.«
»Ach, das ist ein Lottoschein?« Muss schon eine Zeit her sein, seit ich den gekauft habe. »Ja, sicher, warum nicht?« Als ob ich etwas gewinnen würde. Im Gegenteil, im Moment hätte es mich nicht gewundert, wenn sie plötzlich sagen würde: Oh, wie ich sehe, schulden Sie der Lottogesellschaft Geld.
Ich wühle weiter in meinem Kleingeld herum, und als ich die Summe endlich beisammen habe und auf den Tresen lege, wird es plötzlich unheimlich still im Raum. Die Verkäuferin starrt mit offenem Mund auf ihren Bildschirm, dann auf mich, dann wieder auf den Bildschirm.
»Was ist?«, frage ich.
»Es ist … Sie haben …«, stottert sie. »Sehen Sie!« Sie dreht den Bildschirm so, dass ich einen Blick darauf werfen kann. »Ich gratuliere!«
Ich recke neugierig meinen Kopf, dann lese ich:
Großgewinn! Bitte kontaktieren Sie die Deutsche Lottogesellschaft!
Im ersten Moment kapiere ich überhaupt nichts. Das Einzige, was ich registriere, ist mein Herz, das aus irgendeinem Grund gerade einen Dreifachsalto macht.
»Und was bedeutet das jetzt?«, frage ich unsicher.
Die Verkäuferin starrt mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. »Das bedeutet, dass Sie gewonnen haben! Sie haben einen Großgewinn gemacht!«
»Ich habe gewonnen?« Die Worte kommen nur ganz langsam aus meinem Mund. »Und wie viel? Ich meine, was bedeutet das, Großgewinn ?«
»Das bedeutet … einen Moment …« Sie drückt auf ihrer Tastatur herum, und eine Seite mit ganz vielen Zahlen und Tabellen erscheint. »Mal sehen …« Mit gerunzelter Stirn liest sie. »Also, der Hauptgewinn war es nicht.«
Na bitte, hab ich’s doch gewusst. Kein Hauptgewinn. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die kleine Molly Becker in ihrem Leben einmal Glück gehabt hätte. Wahrscheinlich ist es irgendein mickriger Dreier oder, wenn’s hoch hergeht, ein Vierer für lachhafte dreißig Euro, und das bezeichnen die dann großkotzig als Großgewinn, für den ich der Verkäuferin jetzt vielleicht auch noch ein großzügiges Trinkgeld geben soll, oder wie? Echt, wenn es einen geborenen Verlierer gibt, dann bin ich das. Da gewinnt man einmal,
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