Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
sagen kann, bin ich auch schon draußen. Ich haste ein paar Schritte die Straße entlang, dann lehne ich mich an eine Hausmauer und atme erst mal tief durch. Ich brauche ein paar Sekunden, um zu begreifen, was da soeben geschehen ist.
Ich habe gewonnen . Eine Million. Der Wahnsinn. Unfassbar.
Alle meine Probleme haben sich soeben in Luft aufgelöst. Clarissa kann mir ab sofort den Buckel runterrutschen, schließlich bin ich jetzt nicht mehr angewiesen auf diesen blöden Job, und unser Haus, das … ja, genau, das kann ich mir jetzt kaufen. Einfach so, mit einem lässigen Fingerschnippen. Und Herr Hofstätter von der Bank, der wird erst Augen machen. Ha, den lasse ich auf Knien vor mir rutschen, dem werde ich …
Während diese wunderbaren Phantasien noch durch mein Gehirn zucken, sehe ich plötzlich aus den Augenwinkeln, wie die drei aus dem Kiosk neugierig die Köpfe aus dem Laden stecken und mich beobachten.
Oh, oh. Vorsicht, Molly, nur jetzt nicht leichtsinnig werden. Noch hast du das Geld nicht. Du hast nur diesen Schein.
Ach herrje. Was, wenn denen erst jetzt klargeworden ist, welche Gelegenheit sich ihnen gerade bietet? Was, wenn sie sich jetzt zusammengerottet haben, um mir den Schein abzujagen? Die sind zu dritt, ich bin allein, und von uns vieren bin ich noch dazu die Kleinste.
Panik erfasst mich, und mein Herz beginnt zu rasen. Ich drehe mich um und beginne zu rennen. Schon nach wenigen Schritten merke ich, dass ich viel zu langsam bin in diesen verdammten Pumps. Noch im Laufen streife ich sie ab und lasse sie einfach liegen, dann hetze ich weiter die Straße entlang, ohne mich umzublicken. Weiß doch jeder, dass es der allergrößte Fehler wäre, sich jetzt umzuschauen. Das bedeutet nur Zeitverlust, und wenn man Pech hat, stolpert man dann auch noch …
Ich bin schon ziemlich außer Puste, als endlich eine Querstraße kommt, in die ich einbiege. Ich keuche in die nächste Straße und noch eine weiter, und dann bin ich plötzlich völlig fertig. Die Gedanken rasen durch meinen Kopf. Ich muss an einen sicheren Ort, am besten irgendwohin, wo viele Menschen sind, dort ist die Wahrscheinlichkeit, überfallen zu werden, bekanntlich am geringsten, und ich muss telefonieren. Wenn die von der Lottogesellschaft erst mal meinen Namen haben und wissen, dass ich eine Großgewinnerin bin, dann ist das doch schon was.
Dann, ich bin bereits am Ende meiner Kräfte angelangt, taucht plötzlich wie ein Zeichen Gottes ein großes Schild vor meinen Augen auf: Starbucks.
Danke, Herr im Himmel, vielen, vielen Dank. Ich mobilisiere meine letzten Reserven und krache gleich mit vollem Schwung in den Laden hinein.
»Aua! Können Sie nicht aufpassen?« Die Angestellte, die ich soeben umgerannt habe, reibt sich mit vorwurfsvollem Blick den Ellbogen, während leere Becher und Tüten, die sie gerade auf einem Tablett vor sich her balanciert hat, auf dem Boden herumkullern.
»Oh, tut mir leid. Aber ich mache das wieder gut – mit reichlich Trinkgeld, sehr reichlich sogar«, versichere ich ihr. Ihr Gesicht hellt sich auf, als mir einfällt, dass ich ja kaum Bargeld habe. »Nehmen Sie auch Kreditkarten?«
»Nein«, sagt sie, während ihr Gesicht sich gleich wieder verdüstert. Gleichzeitig wandern ihre Augen an mir auf und ab, und mit einem vernichtenden Blick macht sie sich daran, das Chaos auf dem Boden wieder in Ordnung zu bringen.
»Haben Sie auch etwas für einen Euro fünfzig?«, frage ich am Verkaufstresen, nachdem ich meine Barschaft überprüft habe.
»Einen kleinen Kaffee«, antwortet die Verkäuferin, und aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ihre Kollegin, die ich umgerannt habe, sich mit dem Finger an die Stirn tippt.
»Hervorragend, das nehme ich.« Nachdem ich mit meinen letzten Münzen bezahlt habe, verziehe ich mich an den hintersten Tisch.
Okay, dann wollen wir mal. Ich nehme gierig einen Schluck von meinem Heißgetränk, dann hole ich den Zettel mit der Telefonnummer hervor.
Nach ein paar Mal Läuten höre ich: »Fortunatus.«
Das ist ja mal ein gelungener Gag. Fortunatus. Scheinen Humor zu haben, die von der Lottogesellschaft.
»Haha«, lache ich ins Telefon. »Da haben Sie sich ja einen lustigen Namen ausgedacht …«
»Das ist mein echter Name«, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung völlig humorlos. »Ich heiße Erich Fortunatus, und das ist vermutlich auch der Grund, warum ich zu diesem Job gekommen bin.«
»Oh, Verzeihung, ich wusste nicht … Dann bin ich bei Ihnen also richtig als …«
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