Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Vorteile, habe ich mir überlegt. Ich trage den Schein bei mir (praktisch im Falle einer dringend notwendigen Flucht, zum Beispiel wegen eines Großbrands), außerdem bietet dieser Gefrierbeutel weitestgehenden Schutz vor Nässe (ich bin stressbedingt noch immer gehörig am Schwitzen), und sollten uns heute Nacht tatsächlich Einbrecher heimsuchen, werden sie da garantiert nicht suchen, weil es denen schließlich ums Geld geht, nicht wahr? Eben. Mein Eineinhalb-Millionen-Baby ist also in absoluter Sicherheit.
Zufrieden ziehe ich mir die Decke bis knapp unters Kinn, dann lausche ich dem vertrauten Geräusch meines Minni-Maus-Weckers.
Ticktack, ticktack, ticktack.
Und wenn nicht? Wenn es gar keine Standard-Einbrecher sind, sondern ganz gemeine Vergewaltiger? Wenn sie in mein Zimmer trampeln, mir das Nachthemd vom Leib reißen und den Gefrierbeutel entdecken?
Okay, ich könnte dann noch immer behaupten, das wäre ein Verhütungspflaster …
Nein, nein, nein! Ich muss etwas unternehmen. Ich muss diesen Schein in Sicherheit bringen.
Er muss hier weg.
Sagen Sie es niemandem!
Ehrlich, wenn man das nicht selbst erlebt hat, würde man nicht einmal im Traum darauf kommen, dass ein Lottogewinn in erster Linie mörderischen Stress bedeutet. Man stellt sich das nämlich so einfach vor, einen Haufen Geld gewinnen und ab dann nur noch süße Träume.
Ist aber gar nicht so.
Die Wahrheit ist vielmehr, dass die letzte Nacht die mit Abstand schrecklichste meines ganzen Lebens war. Ich bin die meiste Zeit in totaler Panik durchs Haus gehetzt, und immer wenn ich dachte, ich hätte einen sicheren Aufbewahrungsort gefunden, fielen mir schon in der nächsten Sekunde tausend Möglichkeiten ein, wie dieser superempfindliche (warum machen die diese Scheine überhaupt aus diesem blöden Papier und nicht aus etwas Robusterem, Plastik zum Beispiel, oder Granit?) Schlüssel zu meinem Glück ratz-fatz wieder Geschichte sein könnte.
Nachdem ich dann im Haus alle, aber auch wirklich alle Möglichkeiten erwogen und gleich darauf wieder verworfen hatte, beschloss ich irgendwann, mein Glück im Freien zu versuchen.
Hunde, fiel mir ein, was machen die denn, wenn sie einen Superknochen abbekommen haben? Genau, die verbuddeln ihn.
Als ich eine Stunde später schweißüberströmt und mit erdigen Händen und Füßen wieder zurück ins Haus schlich, wusste ich, dass das mit dem auf die Schnelle mal eine Leiche verbuddeln wie in den Filmen nie und nimmer funktioniert. Ich hatte für ein lächerliches Loch von gerade mal dreißig Zentimetern Tiefe und Durchmesser eine geschlagene Stunde benötigt, und bei einer dicken fetten Leiche könnte ich ebenso gut darauf warten, bis die sich von selbst mumifiziert, bevor ich sie unter der Erde hätte.
Als ich mich dann müde, aber glücklich unter die Dusche stellte, fielen mir schon wieder Hunde ein. Diesmal aber nicht die, die ihre Knochen verbuddeln, sondern die anderen, die sie wieder ausgraben.
Woher wissen die eigentlich, wo sie graben müssen? Riechen die den Knochen, oder wühlen sie einfach nur auf Verdacht überall dort, wo gerade frisch gegraben worden ist?
Und das war’s dann auch schon wieder mit der Dusche.
Als Nächstes hatte ich die geniale Idee, den Schein in meinem Auto zu verstecken. Ich meine, das bietet sich doch an. Wenn es irgendetwas gibt, was kein Mensch stehlen, geschweige denn etwas Wertvolles darin vermuten würde, dann ist das mein Auto. Doch dann ist mir wieder dieser Anrufer eingefallen, dem ich die Geschichte mit den Beatles aufgetischt habe. Was, wenn der doch neugierig geworden ist und heimlich und leise mal eine nächtliche Schnupperprobe an meiner Rückbank vornehmen will …?
Einen kurzen Moment lang habe ich dann sogar erwogen, Manfred rauszuklingeln und auf mein Zimmer zu locken. Wer wäre besser als Bodyguard geeignet als ein Mann mit Muckis wie Conan, der Zerstörer? Aber dann fiel mir ein, wie der immer seine Liegestütze macht, und womöglich hätte er das Ganze missverstanden und bei der Gelegenheit gleich auf mir ein kleines Workout hinlegen wollen, dazu seine Eishockeymaske … Auf jeden Fall verwarf ich den Gedanken dann wieder.
Zu guter Letzt habe ich mich völlig fertig im Gartenhaus verbarrikadiert (nicht in unserem, sondern in dem von Manfreds Eltern, weil das viel schäbiger aussieht) und zitternd bis zum Morgengrauen gewartet.
Als dann die ersten Sonnenstrahlen vorsichtig durch die Baumspitzen blinzelten, fühlte ich mich wieder sicher genug, um
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