Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
fragend an, und ich nicke. »Wenn du diesen Bikini für neunzig Euro ins Internet stellst, reißen die Leute ihn dir aus den Händen.«
»Meinst du wirklich?«, fragt Lissy.
»Hundertprozentig«, meint Tessa nickend. » Ich würde mich darum prügeln, und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Oder diese Sandalen – René Caovilla – die kosten normalerweise um die achthundert. Für fünfhundert könnte man die dutzendweise verkaufen. Ah, was haben wir denn da …« Sie greift nach einer Sonnenbrille. »Bottega Veneta«, stellt sie mit Kennerblick fest. »Die kostet im Geschäft zweihundertfünfzig. Wie viel hast du dafür bezahlt, Molly?«, will sie von mir wissen.
Mann, Tessa kennt sich wirklich aus bei Mode, das muss ich ihr lassen. Die kennt die Preise dieser Sachen besser als ich – obwohl ich sie gekauft habe.
»Knapp die Hälfte«, sage ich halbherzig.
»Okay, das heißt, bei hundertsechzig Euro Verkaufspreis blieben uns noch fünfunddreißig Gewinn. Und von denen verkaufe ich allein an meine Freundinnen mindestens zehn Stück.«
»Siehst du?«, nicke ich Lissy aufmunternd zu. »Klingt gar nicht so schlecht, mein Plan, oder?«
»Ja, schon«, lenkt Lissy ein, während sie eine Louis-Vuitton-Handtasche beäugt wie ein seltenes Insekt. »Aber wie willst du das alles vorfinanzieren? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bank dir dafür ein Darlehen einräumt.«
»Ist auch gar nicht nötig«, erkläre ich triumphierend. »Wenn man über Kreditkarte bezahlt, wird das Geld erst Wochen später vom Konto abgebucht. Wenn man es clever anstellt und die Sachen schnell wieder verkauft, hat man schon Gewinn gemacht, bevor man überhaupt noch selbst dafür bezahlt.«
Lissy sieht mich nachdenklich an, und ich kann förmlich sehen, wie ihre kleinen, grauen Zellen rotieren. Einen schrecklichen Moment lang befürchte ich, dass sie das alles für vollkommenen Schwachsinn erklären wird, doch dann sagt sie auf einmal: »Hm, das könnte tatsächlich funktionieren.«
Halleluja, sie hat’s geschluckt. Ich atme erleichtert auf. Damit wäre dieses Thema auch vom Tisch. Ich hatte schon die allerschlimmsten Befürchtungen, was geschehen würde, sobald sie hinter meine plötzliche Kauflust kommen.
Großartig. Wieder ein Problem gelöst. Ich fühle, wie mir ein Riesenstein vom Herzen fällt.
»Eine Frage hätte ich aber noch, Molly«, sagt Tessa plötzlich.
»Ja, welche denn?«
»Wenn du diese Sachen so günstig über deine Firma beziehen kannst, dann könntest du doch theoretisch auch ein bisschen was für mich und Lissy mitbestellen, oder?«
»Ja, sicher, kein Problem. Ihr müsst nur sagen, was ihr wollt. Oder noch besser, ihr schreibt es mir auf. Macht eine Liste, und ich bestelle die Sachen für euch.«
Super. Es funktioniert. Das war nämlich auch Teil meines ausgefeilten Plans. Da ich nicht einmal meinen besten Freundinnen von meinem Gewinn erzählen darf und sie dennoch an meinem Glück teilhaben lassen will, ist das doch die ideale Möglichkeit. Ich besorge ihnen ein paar schicke Sachen (natürlich nicht zum halben Preis, aber Hauptsache, sie glauben es), die sie sich sonst nicht leisten könnten, was bedeutet, ich beschenke sie, ohne dass sie es wissen.
Das ist wirklich genial. Und durch den geschickten Schachzug mit Clarissa kann ich sie auch noch in meinem Haus wohnen lassen, und sie haben keine Ahnung, dass es in Wahrheit mir gehört.
Plötzlich fühle ich mich richtig edel. Endlich bin ich mein schlechtes Gewissen los, weil ich nun auch meinen Freunden Gutes tun kann.
Es ist perfekt, absolut perfekt. Und wieder mal ein Beispiel dafür, dass sich auch für die kompliziertesten Probleme Lösungen finden, wenn man nur sein Köpfchen richtig anstrengt.
Auf einmal ist mir nach Feiern zumute. Nach Sekt und einem unbeschwerten, fröhlichen Abend. Nach ein paar Stunden Entspannung.
Oh. Das geht ja gar nicht. Ich habe doch Frederic versprochen, die Nacht bei ihm zu verbringen.
Was aber auch toll ist. Ganz toll sogar. Ich habe ihn ja die letzten Tage nicht gesehen, und jetzt … freue ich mich schon richtig auf ihn.
Hm. Was er wohl diesmal für eine Überraschung auf Lager hat?
Scheißkamasutra. Ich hoffe echt, dass wir diesen Horror-Möchtegern-Liebesratgeber bald durch haben.
Die Biegsame Birke hat die Stellung geheißen, die wir gestern ausprobierten, und ich bin mir sicher, würde man den Artistinnen vom Chinesischen Nationalzirkus diese Verrenkungen zumuten, wären die allesamt schon im Vorruhestand.
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