Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
oder so was in der Art. Doch dann streicht sie sich nur ein paar imaginäre Fussel von ihrem Rock und steht auf. »Also gut, Molly, wie Sie wollen. Machen Sie Ihren Job einfach, wie Sie es für richtig halten«, sagt sie auf einmal in gleichgültigem Plauderton, und ich traue meinen Ohren nicht. Sie zuckt mit den Schultern. »Wozu rege ich mich überhaupt auf? In absehbarer Zeit wird sich hier sowieso einiges ändern.«
Ich fühle, wie meine Nackenhaare kerzengerade in die Höhe federn. Ich kenne sie mittlerweile gut genug. Eine wütende Clarissa bedeutet Unheil. Eine sanfte Clarissa aber bedeutet die Apokalypse.
»Was meinen Sie damit?«, frage ich.
»Ach, nichts Besonderes. Lassen wir die Dinge einfach auf uns zukommen, dann werden wir schon sehen.« Sie wirft mir noch einen Blick zu wie einem räudigen Straßenköter, dann dreht sie sich schwungvoll auf dem Absatz um und entschwindet in ihr Büro.
Doofe Ziege. Ehrlich, Clarissa hat mir den ganzen Tag versaut. Die Tatsache, dass sie das mit Frau Schuhmann irgendwie durchschaut hat, und der Umstand, dass der Boss sich anscheinend von ihr einwickeln lässt wie ein notgeiler Pubertierender, lassen annehmen, dass meine Zukunftsaussichten bei Winners only nicht gerade die rosigsten sind.
Natürlich habe ich mir sofort einzureden versucht, dass das jetzt gar nicht mehr wichtig ist, denn eigentlich brauche ich diesen Job gar nicht mehr. Dennoch, ich mache ihn (wenn man Clarissa jetzt mal ausblendet) gerne, und ich brauche doch auch irgendeine Arbeit, um erklären zu können, wie ich mein Geld verdiene.
Den restlichen Tag in der Firma spule ich herunter wie ein Roboter, und jedes Mal, wenn ich beim Spiegel an der Wand zu Clarissas Büro vorbeikomme, strecke ich ihr die Zunge heraus, aber irgendwie verschafft mir das auch keine Genugtuung. Um sechs packe ich dann meine Sachen und mache mich auf den Nachhauseweg.
Tessa und Lissy faulenzen gerade auf den Liegen am Pool, und das hebt meine Stimmung wieder ein bisschen. Spontan bestelle ich uns Pizza mit Extrakäse und scharfen Peperoni, und nachdem ich eine Runde geschwommen bin, hole ich noch eine Flasche Merlot aus dem Keller und köpfe sie.
Gleich viel besser. Ich mit meinen besten Freundinnen an meinem Pool vor meinem Haus mit meinem Wein (okay, den Wein haben wir von der gemeinsamen Haushaltskasse gekauft, aber damit ist er zu einem Drittel auch mein Wein) – was kann es Schöneres geben?
Und die blöde Clarissa soll mir doch den Buckel runterrutschen.
Nach dem Essen liege ich satt und träge auf der Liege und genieße die Sonne. Plötzlich berührt mich etwas am Arm. Es ist Lissy. Sie hat einen Zettel in der Hand.
»Was ist denn, Lissy?«, murmle ich.
»Ich habe ein paar Sachen notiert«, sagt sie schüchtern. »Du weißt schon, weil du gesagt hast, du könntest sie für mich besorgen.«
»Oh, ja, klar. Lass sehen.« Ich rapple mich hoch und nehme den Zettel an mich. Viel steht da aber nicht drauf. »Nur eine Jeans und drei T-Shirts?«, frage ich verwundert. »Ist das alles?«
Sie zuckt hilflos mit den Schultern. »Du weißt ja, dass ich mir nicht viel leisten kann.«
»Aber Lissy, du brauchst die Sachen doch gar nicht zu bezahlen, das habe ich dir doch erklärt. Du kannst dir viel mehr bestellen.«
»Ach, Molly, ich weiß nicht. Was ist, wenn wir die Sachen dann doch nicht verkaufen können?«
»Papperlapapp«, mischt sich Tessa plötzlich ein. »Natürlich können wir die Sachen verkaufen.« Sie wirft einen Seitenblick auf Lissys Zettel. »Obwohl wir mit deinem Krempel schon Probleme kriegen könnten. Lissy, du musst Designerstücke kaufen, nicht billige No-Name-Produkte.«
»Ja, so sehe ich das auch«, bestätige ich. »Weißt du was, Lissy, ich werde einfach noch ein paar Stücke für dich aussuchen. Und du kannst dir in der Zwischenzeit natürlich auch etwas von meinen Sachen borgen, okay?«
Lissy strahlt mich an. »Ehrlich? Danke, Molly, du bist die beste Freundin auf der Welt.«
»Schon gut«, sage ich großzügig. »Dafür hat man doch Freunde, nicht wahr? Und wie steht’s bei dir, Tessa, hast du auch was aufgeschrieben?«
»Ja, habe ich.« Sie drückt mir etwas Kleines, Hartes in die Hand.
»Was ist das?«, frage ich verwundert.
»Ein USB-Stick«, erklärt sie. »Beim Schreiben mit dem Füller tat mir schon die Hand weh, und als mir dann auch noch die Zettel ausgingen, habe ich gleich alles in den Computer getippt.«
»Echt? Was hast du denn da alles aufgeschrieben?«, stoße ich
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