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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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so vor, als sei der Weg, der vor ihm und Zohar lag, mit Gold gepflastert.
    Zohar schloss die Wohnungstür auf. »Milagra, das musst du einfach hören! Das sind unglaubliche Neuigkeiten!«
    Diego wartete im ersten Zimmer, während Zohar nach hinten ging und nach seiner Geliebten rief. Dann kehrte mit einem Mal Stille ein. Als der Mann mit dem Lockenkopf zurückkam, war sein Gesicht wo bleich wie eine tote Schuppe.
    »Sie ist fort! Und sie hat all unsere Ersparnisse entdeckt. Ich hatte das Geld in einem ausgehöhlten Buch versteckt. Eines von Drumgoole.« Zohar lächelte kläglich. »Ich hielt seine Arbeit für würdig, ausgeweidet zu werden. Und da sie ohnehin nie liest…«
    »Zohar, warum hast du das Geld nicht auf die Bank gebracht?«
    »Ich bin bei keiner Bank in Gritsavage gern gesehen. Ein kleines Missverständnis in der Vergangenheit.«
    »Wohin könnte sie gegangen sein?«
    »Wohin schon? Zu ihrem Dealer. Schnell, vielleicht reicht die Zeit noch…«
    Die hektische Fahrt mit der U-Bahn schien sich bis in die Unendlichkeit zu strecken, war aber praktisch nach wenigen Sekunden schon wieder vorüber. Diegos Gedanken überschlugen sich, während er krampfhaft überlegte, wie er dem armen Zohar und der armen Milagra helfen konnte. Letztlich musste er sich aber seine völlige Unwissenheit und Hilflosigkeit eingestehen.
    Eine Stahltür, die in die Rückseite eines in der Mitte eines Blocks befindlichen Gebäudes eingelassen war, konnte nur von dem mit Asche überzogenen Graben erreicht werden, der parallel zu den Gleisen verlief. Rostige Streifen der überhängenden Tür liefen wie Blut über die Betonwände. Ein Zug raste vorüber und trug einen heißen, schmutzigen Fahrtwind mit sich, während Zohar gegen die Tür schlug. Die untergehende Jahreszeitensonne tauchte die grob verputzte graue Mauer in ein geisterhaftes Karmesinrot. Schließlich wurde eine kleine Klappe zur Seite geschoben, ein blutunterlaufenes Augenpaar wurde sichtbar.
    »Lionel! Ist Milagra da?«
    »Ich weiß nicht, Cousin…«
    »Dann mach auf. Ich sehe selber nach.«
    Verzögerte Junkie-Reflexe machten das Entriegeln und Offnen der Tür zu einer nicht enden wollenden Qual, doch dann wurden sie endlich eingelassen.
    Die Opiumhöhle, die von ein paar kleinen Glühbirnen kaum erhellt wurde, war wie eine Obdachlosenunterkunft eingerichtet: ein Durcheinander aus Lagern, Matratzen und Betten. Fixerbestecke übersäten jede freie Fläche, die nicht von einem Körper belegt war, ebenso wie jede Kiste und jeden Hocker. Zwar hatte Zohar kaum Platz, um sich zu bewegen, dennoch begann er sofort von einer nickenden, träumenden zur nächsten komatösen, schlafenden Gestalt zu eilen. Er suchte nach dem Gesicht seiner Geliebten. Diego folgte mit behutsameren Schritten, da er sich an keiner der Nadeln stechen wollte.
    Sie fanden Milagra in einem säuerlich stinkenden Winkel im Keller, gleich daneben drei leere Spritzen. Speichel lief ihr über Wange und Kinn, und ihr Atem ging unregelmäßig und kaum wahrnehmbar.
    Zohar nahm sie in die Arme. »Drei Nadeln Stoff! So viel hat sie seit Monaten nicht mehr gespritzt. Diego, hilf mir bitte. Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen…«
    Diego beugte sich vor, um Milagras Beine zu fassen.
    Dann trafen die Pompaten ein.
    Fünf lumineszierende Fischerinnen schwebten durch die Kellerwand, als sei sie aus Luft, und trugen ihren Geruch nach Salzwasser mit sich. Jede der perlenfarbigen monochromatischen Frauen – etwa halb so groß wie ein Mensch – war in waberndes Tuch gehüllt, das mehr wie eine Erweiterung ihrer Form wirkte, weniger wie ein Gewand oder Umhang. Riesige, unregelmäßig geformte Flügel ähnlich der gewebeartigen äußeren Hülle eines Hummers entfalteten sich hinter ihnen und durchdrangen jede tote Materie, die eine Barriere darstellte, egal ob Mauer, Decke oder Möbelstück. Ein unterschwelliges melodisches Summen, das fast wie etwas Verständliches klang, ertönte in den Ohren der Menschen. Die Pompaten zogen einen Regen aus schmelzenden Fünkchen wie Schneeflocken aus kaltem Licht hinter sich her. Ihre schwesterlichen Gesichter, alle unterschiedlich, doch alle verwandt, ließen keine Gefühlsregung erkennen.
    »Nein!«, schrie Zohar.
    Doch jeglicher Widerstand war zwecklos.
    Die Fischerinnen umhüllten Milagra und entzogen sie Zohars fanatischer Umarmung mit der gleichen Mühelosigkeit, wie eine Mutter es machte, die ihrem Kind einen scharfen Gegenstand aus der Hand nahm. Dann stiegen sie durch die

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