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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Dachsparren nach oben, und die tote Frau durchdrang mit ihnen die verborgenen Löcher in der Materie, mit der gleichen Leichtigkeit wie ihre Führer, die sie zum Fernen Ufer brachten.
    Zohar brach weinend zusammen, Diego sank neben ihm zu Boden. Die Decke, auf der Milagra gelegen hatte, war noch warm. Nach und nach verflüchtigte sich der markante maritime Geruch der Fischerinnen.
    Viel später hörte Zohar auf zu schluchzen. Er und Diego halfen sich gegenseitig hoch. Diego bemerkte Milagras Handtasche, nahm sie an sich und ging dann mit Zohar hinaus.
    Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt. Als sie den Broadway erreichten, wurde die Nacht von den Straßenlaternen erhellt.
    Ziellos gingen die beiden Männer weiter und bewegten sich schweigend gut ein Dutzend Blocks weit. Dann sagte Zohar: »Diego, in dieser traurigen, einsamen und herzlosen Gemeinde gibt es nichts mehr, was mich noch halten könnte. Ich gehe fort.« Er nahm erschöpft die Handtasche von Diego entgegen, holte das noch verbliebene Bargeld heraus und steckte es achtlos in eine Hosentasche, dann warf er Milagras Relikt in die Gosse.
    »Wann? Und wohin willst du gehen?«
    »So weit weg, wie es nur geht. Uptown und noch weiter.«

VIER
    Welten auf Verlangen
     
    Der Abschied von Gaddis Patchen einige Tage vor dem Ablegen der Yann brachte erwartete und unerwartete Wendungen mit sich.
    Wie üblich schlug Diego ein wenig Zeit in Evensons Gemischtwarenladen tot. Er bestellte bei der Inhaberin Esmin eine Flasche Sellerielimonade und wagte einen Versuch am neuesten Lotteriebrett, das diesmal ein Sportthema rund um die Gritsavage Stokers aufwies. Zu seiner eigenen Überraschung gewann Diego tatsächlich ein paar Fünkchen, die Prosper Evenson ihm mit zusammengekniffenem Mund auszahlte. Angesichts dieses guten Omens verließ Diego fröhlich pfeifend das Geschäft.
    Es war Ende September, und die Blätter an dem vertrauten Baum vor dem Haus, in dem sein Vater wohnte, rollten sich bereits vor dem nahenden Herbst zusammen. Samenkapseln lagen ringsum auf dem Fußweg verstreut. Diego fragte sich, ob er ihn wohl im nächsten Jahr blühen sehen würde.
    Im düsteren, kalten Heim seines Vaters verkündete Diego seine Absichten. Erstaunlicherweise machte sein Vater diesmal nicht sich selbst egoistisch zum Gesprächsthema, und er sprach sich auch nicht gegen die Reise nach Palmerdale aus. Stattdessen ermutigte er seinen Sohn und bat ihn sogar, seine Hand zu schütteln. Verblüfft nahm Diego die trockene, welke Hand, mied es aber aus Verlegenheit, seinem Vater in die Augen zu sehen. Noch überraschender war, dass eine Ausgabe von Mirror Worlds aufgeschlagen auf einem Beistelltisch lag,
    als hätte Gaddis eine der Geschichten seines Sohnes gelesen.
    »Wie geht es eigentlich deinem Freund Zohar Kush?«, wollte Gaddis wissen.
    Diego erschrak: »Nicht gut. Gar nicht gut.« Diego erzählte ihm von Milagra Eventyrs Tod und Zohars wahnsinniger, verzweifelter Flucht aus Gritsavage.
    »Ihre Überdosis hat nicht zufällig etwas mit den Spritzen zu tun, die du mir gestohlen hattest, oder etwa doch?«
    Diego merkte, dass er rot wurde. Er musste gegen den Kloß in seinem Hals ankämpfen, der aus Schuldgefühlen und Zorn entstanden war, ehe er antworten konnte. »Nein. Die waren für eine lebensrettende Maßnahme bestimmt. Sie hatte Zugang zu anderem, härterem Stoff, als sie starb. Ich hoffe, du verstehst…«
    Gaddis Patchen machte eine beiläufige Geste. »Ja, natürlich. Ich bin ja nicht völlig naiv. Ich habe zu meiner Zeit auch die Puppen tanzen lassen, Sohn. Wenn es wieder einmal einen solchen Notfall geben sollte, wäre es allerdings gut, wenn du mich einfach um Hilfe bitten würdest. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    Als Diego sich schließlich von seinem Vater verabschiedete und ihm versprach, ihn sofort nach der Rückkehr zu besuchen, spürte er, dass sich althergebrachte Gegensätzlichkeiten zwischen ihnen beiden aufeinander zubewegt hatten.
     
    Am kalten, windigen Tag der Abreise gab es einen Champagner-Engpass. Die Züge und die Schiffe, die zu beiden Seiten der Gemeinde Halt machten, hatten schon seit Wochen nicht mehr dieses Luxusgut mitgebracht, und alle Vorräte waren inzwischen aufgebraucht. Daher erlebte die jubelnde Menge an Land und die aufgeregten Reisenden an Deck, wie der Stellvertreter des Bürgermeisters, Archer Thornhill, mannhaft eine Flasche Apfelsaft am Bug der Yann zerschlug. Wenige Minuten später hatte Captain Vigo Dassault das Schiff bereits in

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