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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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ihrer fremdartigen Kleidung wollten nichts mit den Passagieren aus Gritsavage zu tun haben. Sie nahmen ihre Mahlzeiten von den anderen abgesondert zu sich. Zwar antworteten sie höflich in ihrem schrägen Akzent und ihrer merkwürdigen Mundart, wenn man sie ansprach, doch von sich aus begannen sie keine Unterhaltung. Und ganz eindeutig spielten sie weder Karten noch Scharade oder Zwanzig Fragen.
    Auf diese Wahrung ihrer Distanz angesprochen, zuckte Jobo Copperknob nur mit den Schultern. »Sie machen in Palmerdale die Dinge anders. Andere Gebräuche, andere Einstellungen, andere Prioritäten. Aber Sie können mir glauben, meine Gespräche mit Quine haben mich davon überzeugt, dass sie sehr gewillt sind, mit uns Umgang zu pflegen. Und abgesehen davon – welchen Sinn hätte es schon, so weit zu reisen und Leute zu besuchen, die mit uns identisch wären?«
    Mitte Oktober steigerte sich die Begeisterung an Bord der Yann allmählich noch. Palmerdale war nur noch ein paar tausend Blocks entfernt. Schon bald würden sie in einem Land angelangt sein, das anders war als alles, was sie bislang gesehen hatten.
    Am Abend vor der geplanten Ankunft vermittelte Rumbold Pragues improvisierte Folge von edlen, entrissenen Noten – die er aus seiner blutroten Trompete presste und in die fremde Luft schickte – ihnen all ihre unbestreitbare Entwurzelung, eine bittersüße Empfindung, die zugleich beängstigend und fesselnd war.
    In ihrer engen Kabine schlafend, hatte Volusia den nachdenklichen Diego so fest gepackt, dass er glaubte, sie würde ihn erdrücken, während er zugleich von ihrer Liebe behütet wurde.
     
    Die erste Woche in Palmerdale verging wie im Rausch. Gleich nachdem sie an einem Oktobermorgen von Bord gegangen und von einer großen Menge jubelnder Bürger und Würdenträger an der Helling Palmerdale-35 mit Musik und Begeisterungsrufen empfangen worden waren, wurden die Besucher fast unablässig gefeiert, wurde mit keinem Luxus gegeizt und jedes ihrer Worte als äußerst interessant angesehen.
    Vor dem offiziellen Empfang am Abend wurde der Gruppe aus Gritsavage, die im Drei-Sterne-Hotel The Pavo Arms untergebracht war, eine kurze Erholungspause gewährt. Volusia und Diego warfen sich auf ihre bequeme Matratze und mussten von Herzen lachen, weil es ihnen so vollkommen unwahrscheinlich vorkam, dass sie hier waren, so weit von zu Hause entfernt.
    »Eine Feuerwehrfrau und ein Lohnschreiber! Wir haben die ganze Welt zum Narren gehalten!«
    »Wie du meinst, Dee. Aber meine natürlichen Talente erfahren jetzt endlich mal ihre angemessene Würdigung.«
    Froh darüber, endlich wieder unter sich zu sein – die engen Quartiere der Yann hatten gegen Ende ihren ursprünglichen Charme verloren –, genossen sie eine lange heiße gemeinsame Dusche, danach bestellten sie beim Zimmerservice ein voluminöses Mittagessen. Da sie nach dem Essen eingeschlafen waren, weckte sie der Pförtner gegen fünf Uhr am Nachmittag, um sie an ihre Pflichten für den Abend zu erinnern. Sie zogen ihre für den feierlichen Anlass angemessene Kleidung an, dann trafen sie mit dem Rest der Gruppe in der Lobby zusammen. Diego fand, dass Volusias Chiffonkleid bezaubernd war – und so ging es auch Passwater, wenn er dessen lüsterne Blicke richtig einschätzte. Sie wurden zu einer sonderbar zusammengestellten Flotte aus wartenden Fahrzeugen geführt, die sie zum Haus des Bürgermeisters in Uptown brachten.
    In dem großen, überfüllten und lauten Ballsaal erlebte Diego ein eindringliches, wenngleich verdrehtes Déjà-vu. Die Szene war eine in so vielen Dingen gleiche, in vielen anderen Dingen aber völlig verkehrte Imitation der Veranstaltung in seiner Heimatstadt, auf der er für diese Reise ausgesucht worden war, und Diego hatte das Gefühl, sein Bewusstsein würde sich spalten. Nein, es war eher so, als wäre seine Erinnerung verdreht worden, und die Gegenwart versuche, die Vergangenheit zu manipulieren.
    In Palmerdale unterschied sich fast alles von seinen Pendants in Gritsavage, selbst wenn es nur ein minimaler Unterschied war. Andere architektonische Details ließen Innen- und Außenansichten merkwürdig verschroben erscheinen. Die Schrift der Gemeinde, die auf Hinweisschildern zu lesen war, enthielt eine Reihe von unverständlichen Buchstaben. Die schräge Mode trug weiter zu diesem Gefühl der Uneinigkeit bei. Am überraschendsten war, dass die Sprache der Leute von Palmerdale Diegos Hirn gründlich verwirrte. Die wenigen Unterhaltungen, die er

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