Momo
doch für dich sorgen.“
„Ich“, antwortete Momo erleichtert.
„Kannst du das denn?“ fragte die Frau.
Momo schwieg eine Weile und sagte dann leise: „Ich brauch' nicht viel.“
Wieder wechselten die Leute Blicke, seufzten und nickten. „Weißt du, Momo“, ergriff nun wieder der Mann das Wort, der zuerst gesprochen hatte, „wir meinen, du könntest vielleicht bei einem von uns unterkriechen. Wir haben zwar selber alle nur wenig Platz, und die meisten haben schon einen Haufen Kinder, die gefüttert sein wollen, aber wir meinen, auf eines mehr kommt es dann auch schon nicht mehr an. Was hältst du davon, eh?“
„Danke“, sagte Momo und lächelte zum ersten Mal, „vielen Dank! Aber könntet ihr mich nicht einfach hier wohnen lassen?“ Die Leute berieten lange hin und her, und zuletzt waren sie einverstanden. Denn hier, so meinten sie, könne das Kind schließlich genausogut wohnen wie bei einem von ihnen, und sorgen wollten sie alle gemeinsam für Momo, weil es für alle zusammen sowieso einfacher wäre, als für einen allein.
Sie fingen gleich an, indem sie zunächst einmal die halb eingestürzte steinerne Kammer, in der Momo hauste, aufräumten und instandsetzten, so gut es ging. Einer von ihnen, der Maurer war, baute sogar einen kleinen steinernen Herd. Ein rostiges Ofenrohr wurde auch aufgetrieben. Ein alter Schreiner nagelte aus ein paar Kistenbrettern ein Tischchen und zwei Stühle zusammen. Und schließlich brachten die Frauen noch ein ausgedientes, mit Schnörkeln verziertes Eisenbett, eine Matratze, die nur wenig zerrissen war, und zwei Decken. Aus dem steinernen Loch unter der Bühne der Ruine war ein behagliches kleines Zimmerchen geworden. Der Maurer, der künstlerische Fähigkeiten besaß, malte zuletzt noch ein hübsches Blumenbild an die Wand. Sogar den Rahmen und den Nagel, an dem das Bild hing, malte er dazu. Und dann kamen die Kinder der Leute und brachten, was man an Essen erübrigen konnte, das eine ein Stückchen Käse, das andere einen kleinen Brotwecken, das dritte etwas Obst und so fort. Und da es sehr viele Kinder waren, kam an diesem Abend eine solche Menge zusammen, daß sie alle miteinander im Amphitheater ein richtiges kleines Fest zu Ehren von Momos Einzug feiern konnten. Es war ein so vergnügtes Fest, wie nur arme Leute es zu feiern verstehen. So begann die Freundschaft zwischen der kleinen Momo und den Leuten der näheren Umgebung.
ZWEITES KAPITEL: Eine ungewöhnliche Eigenschaft und ein ganz gewöhnlicher Streit
Von nun an ging es der kleinen Momo gut, jedenfalls nach ihrer eigenen Meinung. Irgend etwas zu essen hatte sie jetzt immer, mal mehr, mal weniger, wie es sich eben fügte und wie die Leute es entbehren konnten. Sie hatte ein Dach über dem Kopf, sie hatte ein Bett und sie konnte sich, wenn es kalt war, ein Feuer machen. Und was das Wichtigste war: sie hatte viele gute Freunde.
Man könnte nun denken, daß Momo ganz einfach großes Glück gehabt hatte, an so freundliche Leute geraten zu sein –, und Momo selbst war durchaus dieser Ansicht. Aber auch für die Leute stellte sich schon bald heraus, daß sie nicht weniger Glück gehabt hatten. Sie brauchten Momo, und sie wunderten sich, wie sie früher ohne sie ausgekommen waren. Und je länger das kleine Mädchen bei ihnen war, desto unentbehrlicher wurde es ihnen, so unentbehrlich, daß sie nur noch fürchteten, es könnte eines Tages wieder auf und davon gehen. So kam es, daß Momo sehr viel Besuch hatte. Man sah fast immer jemand bei ihr sitzen, der angelegentlich mit ihr redete. Und wer sie brauchte und nicht kommen konnte, schickte nach ihr, um sie zu holen. Und wer noch nicht gemerkt hatte, daß er sie brauchte, zu dem sagten die andern: „Geh doch zu Momo!“
Dieser Satz wurde nach und nach zu einer feststehenden Redensart bei den Leuten der näheren Umgebung. So wie man sagt: „Alles Gute!“ oder „Gesegnete Mahlzeit!“ oder „Weiß der liebe Himmel!“, genauso sagte man also bei allen möglichen Gelegenheiten: „Geh doch zu Momo!“ Aber warum? War Momo vielleicht so unglaublich klug, daß sie jedem Menschen einen guten Rat geben konnte? Fand sie immer die richtigen Worte, wenn jemand Trost brauchte? Konnte sie weise und gerechte Urteile fällen? Nein, das alles konnte Momo ebensowenig wie jedes andere Kind. Konnte Momo dann vielleicht irgend etwas, das die Leute in gute Laune versetzte? Konnte sie zum Beispiel besonders schön singen? Oder konnte sie irgendein Instrument spielen? Oder konnte
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