Momo
bestimmt, denn ich bin sicher, daß es ein ganz besonderes Gebäude ist: grau, unheimlich, fensterlos, ein riesenhafter Geldschrank aus Beton! Ich sehe es vor mir. Wenn wir es gefunden haben, dann gehen wir hinein. Jeder von uns hat in beiden Händen eine Pistole. Gebt auf der Stelle alle gestohlene Zeit heraus! sage ich…“
„Wir haben aber gar keine Pistolen“, unterbrach ihn Momo bekümmert.
„Dann machen wir es eben ohne Pistolen“, antwortete Gigi großartig. „Das wird sie sogar noch mehr erschrecken. Unsere Erscheinung allein wird schon genügen, sie in panische Furcht zu versetzen.“
„Es wäre vielleicht gut“, sagte Momo, „wenn wir dabei ein bißchen mehr wären, nicht bloß wir drei. Ich meine, dann würden wir die Zeit-Spar-Kasse vielleicht auch eher finden, wenn noch andere mitsuchen.“
„Das ist eine sehr gute Idee“, entgegnete Gigi. „Wir sollten alle unsere alten Freunde mobilisieren. Und die vielen Kinder, die jetzt immer kommen. Ich schlage vor, wir gehen sofort alle drei los, und jeder benachrichtigt so viele, wie er finden kann. Und die sollen es wieder den anderen weitersagen. Wir treffen uns alle morgen nachmittag um drei hier zur großen Beratung!“
Sie machten sich also gleich auf den Weg, Momo in der einen Richtung, Beppo und Gigi in der anderen.
Als die beiden Männer schon eine Weile gegangen waren, blieb Beppo, der bis jetzt noch immer geschwiegen hatte, plötzlich stehen. „Hör' mal, Gigi“, sagte er, „ich mach' mir Sorgen.“
Gigi drehte sich nach ihm um. „Worüber denn?“
Beppo blickte den Freund eine Weile an und sagte dann: „Ich glaube Momo.“
„Ja und?“ fragte Gigi verwundert.
„Ich meine“, fuhr Beppo fort, „ich glaube, daß es wahr ist, was Momo uns erzählt hat.“
„Gut, und was weiter?“ fragte Gigi, der nicht verstand, was Beppo wollte.
„Weißt du“, erklärte Beppo, „wenn es nämlich wahr ist, was Momo da gesagt hat, dann müssen wir uns gut überlegen, was wir tun. Wenn es sich wirklich um eine geheime Verbrecherbande handelt – mit so jemand legt man sich nicht so ohne weiteres an, verstehst du? Wenn wir die einfach so herausfordern, dann kann das Momo in eine schlimme Lage bringen. Von uns will ich gar nicht reden, aber wenn wir jetzt auch noch die Kinder mit hineinziehen, dann bringen wir sie vielleicht in Gefahr. Wir müssen uns wirklich überlegen, was wir tun.“
„Ach was!“ rief Gigi und lachte, „was du dir immer für Sorgen machst! Je mehr mitmachen, desto besser ist es doch.“
„Mir scheint“, erwiderte Beppo ernst, „du glaubst gar nicht, daß es wahr ist, was Momo erzählt hat.“
„Was heißt denn wahr!“ antwortete Gigi. „Du bist ein Mensch ohne Phantasie, Beppo. Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit. Doch, Beppo, doch, ich glaube alles, was Momo erzählt hat, genauso wie du!“
Beppo wußte nichts darauf zu erwidern, aber seine Sorgen waren durch Gigis Antwort keineswegs geringer geworden. Dann trennten sie sich, und jeder ging in eine andere Richtung, um die Freunde und die Kinder von der morgigen Versammlung zu benachrichtigen, Gigi mit leichtem, Beppo mit schwerem Herzen. In dieser Nacht träumte Gigi vom künftigen Ruhm als Befreier der Stadt. Er sah sich im Frack, Beppo im Bratenrock und Momo in einem Kleid aus weißer Seide. Und dann wurden ihnen allen dreien goldene Ketten um den Hals gelegt und Lorbeerkränze aufgesetzt. Großartige Musik ertönte, und die Stadt veranstaltete zu Ehren ihrer Retter einen Fackelzug, wie er noch nie zuvor Menschen dargebracht worden war, so lang und so prächtig.
Zur gleichen Zeit lag der alte Beppo auf seinem Bett und konnte keinen Schlaf finden. Je länger er nachdachte, desto deutlicher wurde ihm die Gefährlichkeit der ganzen Sache.
Natürlich würde er Gigi und Momo nicht allein ins Verderben rennen lassen – er würde mitgehen, was auch immer daraus werden mochte. Aber er mußte wenigstens versuchen, sie zurückzuhalten.
Am nächsten Nachmittag um drei Uhr hallte die Ruine des alten Amphitheaters wider vom aufgeregten Geschrei und Geschnatter vieler Stimmen. Die Erwachsenen unter den alten Freunden waren zwar leider nicht gekommen (außer Beppo und Gigi natürlich), aber etwa fünfzig bis sechzig Kinder von nah und fern, arme und reiche, wohlerzogene und wilde, größere und kleinere. Manche hatten, wie das Mädchen Maria, Geschwisterchen dabei, die an der Hand geführt oder auf dem Arm getragen wurden und nun mit großen Augen,
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