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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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allem ab, du bist ein Klotz an ihrem Bein, du ruinierst ihr Vorwärtskommen! Vielleicht ist es dir bisher noch nicht bewußt geworden, Momo, – jedenfalls schadest du deinen Freunden einfach dadurch, daß du da bist. Ja, du bist in Wirklichkeit, ohne es zu wollen, ihr Feind! Und das nennst du also jemand liebhaben?“
Momo wußte nicht, was sie erwidern sollte. So hatte sie die Dinge noch nie betrachtet. Einen Augenblick lang war sie sogar unsicher, ob der graue Herr nicht vielleicht recht hatte.
„Und deshalb“, fuhr der graue Herr fort, „wollen wir deine Freunde vor dir beschützen. Und wenn du sie wirklich liebhast, dann hilfst du uns dabei. Wir wollen, daß sie es zu etwas bringen. Wir sind ihre wahren Freunde. Wir können nicht stillschweigend mit ansehen, daß du sie von allem abhältst, was wichtig ist. Wir wollen dafür sorgen, daß du sie in Ruhe läßt. Und darum schenken wir dir all die schönen Sachen.“
„Wer wir ?“ fragte Momo mit bebenden Lippen.
„Wir von der Zeit-Spar-Kasse“, antwortete der graue Herr. „Ich bin Agent BLW/553/c. Ich persönlich meine es nur gut mir dir, denn die Zeit-Spar-Kasse läßt nicht mit sich spaßen.“
In diesem Augenblick erinnerte Momo sich plötzlich an das, was Beppo und Gigi über Zeit sparen und Ansteckung gesagt hatten. Ihr kam die schreckliche Ahnung, daß dieser graue Herr etwas damit zu tun hatte. Sehnlich wünschte sie, daß die beiden Freunde jetzt hier wären.
Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt. Aber sie beschloß, sich trotzdem keine Angst machen zu lassen. Sie nahm all ihre Kraft und ihren Mut zusammen und stürzte sich ganz und gar in die Dunkelheit und Leere hinein, hinter der der graue Herr sich vor ihr verbarg. Der hatte Momo aus den Augenwinkeln beobachtet. Die Veränderung in ihrem Gesicht war ihm nicht entgangen. Er lächelte ironisch, während er sich am Stummel seiner grauen Zigarre eine neue anzündete. „Gib dir keine Mühe“, sagte er, „mit uns kannst du es nicht aufnehmen.“
Momo gab nicht nach.
„Hat dich denn niemand lieb?“ fragte sie flüsternd. Der graue Herr krümmte sich und sank plötzlich ein wenig in sich zusammen. Dann antwortete er mit aschengrauer Stimme: „Ich muß schon sagen, so jemand wie du ist mir noch nicht vorgekommen, wirklich nicht. Und ich kenne viele Menschen. Wenn es mehr von deiner Sorte gäbe, dann könnten wir unsere Sparkasse bald zumachen und uns selbst in Nichts auflösen –, denn wovon sollten wir dann noch existieren?“
Der Agent unterbrach sich. Er starrte Momo an und schien gegen etwas anzukämpfen, das er nicht begreifen konnte, und mit dem er nicht fertig wurde. Sein Gesicht wurde noch eine Spur aschengrauer. Als er nun wieder zu reden begann, war es, als geschehe es gegen seinen Willen, als brächen die Worte von selbst aus ihm hervor und er könne es nicht verhindern.
Dabei verzerrte sich sein Gesicht mehr und mehr vor Entsetzen über das, was mit ihm geschah. Und nun hörte Momo endlich seine wahre Stimme: „Wir müssen unerkannt bleiben“, vernahm sie wie von weitem, „niemand darf wissen, daß es uns gibt und was wir tun… Wir sorgen dafür, daß kein Mensch uns im Gedächtnis behalten kann… Nur solang wir unerkannt sind, können wir unserem Geschäft nachgehen… ein mühseliges Geschäft, den Menschen ihre Lebenszeit stunden-, minuten- und sekundenweise abzuzapfen… denn alle Zeit, die sie einsparen, ist für sie verloren… Wir reißen sie an uns… wir speichern sie auf… wir brauchen sie… uns hungert danach… Ah, ihr wißt es nicht, was das ist, eure Zeit!… Aber wir, wir wissen es und saugen euch aus bis auf die Knochen… Und wir brauchen mehr… immer mehr… denn auch wir werden mehr… immer mehr… immer mehr…“
Diese letzten Worte hatte der graue Herr fast röchelnd hervorgestoßen, aber nun hielt er sich mit beiden Händen selbst den Mund zu. Die Augen quollen ihm hervor, und er stierte Momo an. Nach einer Weile schien es, als ob er aus einer Art Betäubung wieder zu sich käme. „Was – was war das?“ stammelte er. „Du hast mich ausgehorcht! Ich bin krank! Du hast mich krank gemacht, du!“ – Und dann in beinahe flehendem Ton: „Ich habe lauter Unsinn geredet, liebes Kind. Vergiß es! Du mußt mich vergessen, so wie alle anderen uns vergessen! Du mußt! Du mußt!“
Und er packte Momo und schüttelte sie. Sie bewegte die Lippen, vermochte aber nichts zu sagen.
Da sprang der graue Herr auf, blickte sich wie gehetzt um, packte seine

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