Momo
bleigraue Aktentasche und rannte zu seinem Auto. Und nun geschah etwas höchst Sonderbares: Wie in einer umgekehrten Explosion flogen all die Puppen und die ganzen anderen umhergestreuten Sachen von allen Seiten in den Kofferraum hinein, der knallend zuschlug. Dann raste das Auto davon, daß die Steine spritzten. Momo saß noch lang auf ihrem Platz und versuchte zu begreifen, was sie da gehört hatte. Nach und nach wich die schreckliche Kälte aus ihren Gliedern und in gleichem Maße wurde ihr alles immer klarer und klarer. Sie vergaß nichts.
Denn sie hatte die wirkliche Stimme eines grauen Herren gehört. Vor ihr im dürren Gras stieg eine kleine Rauchsäule auf. Dort qualmte der zerdrückte Stummel der grauen Zigarre und zerfiel langsam zu Asche.
ACHTES KAPITEL: Eine Menge Träume und ein paar Bedenken
Am späteren Nachmittag kamen Gigi und Beppo. Sie fanden Momo im Schatten der Mauer sitzend, noch immer ein wenig blaß und verstört. Sie setzten sich zu ihr und erkundigten sich besorgt, was mit ihr los wäre. Stockend begann Momo zu berichten, was sie erlebt hatte. Und schließlich wiederholte sie Wort für Wort die ganze Unterhaltung mit dem grauen Herren.
Während der Erzählung schaute der alte Beppo Momo sehr ernst und prüfend an. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. Auch nachdem Momo geendet hatte, schwieg er.
Gigi dagegen hatte mit wachsender Erregung zugehört. Seine Augen begannen zu glänzen, so wie sie es oft taten, wenn er selber beim Erzählen in Fahrt kam.
„Jetzt, Momo“, sagte er und legte ihr die Hand auf die Schulter, „hat unsere große Stunde geschlagen! Du hast entdeckt, was bisher noch niemand wußte! Und jetzt werden wir nicht nur unsere alten Freunde, nein, jetzt werden wir die ganze Stadt retten! Wir drei, ich, Beppo und du, Momo!“
Er war aufgesprungen und hatte beide Hände ausgestreckt. In seiner Phantasie sah er vor sich eine riesige Menschenmenge, die ihm, dem Befreier, zujubelte.
„Schon“, sagte Momo ein wenig verwirrt, „aber wie wollen wir das machen?“
„Was meinst du?“ fragte Gigi irritiert.
„Ich meine“, erklärte Momo, „wie wollen wir das machen, die grauen Herren besiegen?“
„Na ja“, sagte Gigi, „so genau weiß ich das im Moment natürlich auch noch nicht. Das müssen wir uns erst ausdenken. Aber eines ist doch klar: Nachdem wir jetzt wissen, daß es sie gibt und was sie tun, müssen wir den Kampf mit ihnen aufnehmen - oder hast du etwa Angst?“
Momo nickte verlegen. „Ich glaub', es sind keine gewöhnlichen Männer. Der, der bei mir war, sah irgendwie anders aus. Und die Kälte ist ganz schlimm. Und wenn es viele sind, dann sind sie bestimmt sehr gefährlich. Ich hab' schon Angst.“
„Ach was!“ rief Gigi begeistert. „Die Sache ist doch ganz einfach! Diese grauen Herren können ja nur ihrem finsteren Geschäft nachgehen, wenn sie unerkannt sind. Das hat dein Besucher doch selbst verraten. Also! Wir brauchen nur dafür zu sorgen, daß sie erkennbar werden. Denn wer sie einmal erkannt hat, der behält sie in Erinnerung, und wer sich an sie erinnert, der erkennt sie sofort! Also können sie uns überhaupt nichts anhaben – wir sind unangreifbar!“
„Glaubst du?“ fragte Momo etwas zweifelnd.
„Selbstverständlich!“ fuhr Gigi mit leuchtenden Augen fort. „Sonst wäre dein Besucher doch nicht so Hals über Kopf vor dir geflohen. Sie zittern vor uns!“
„Aber dann“, meinte Momo, „werden wir sie vielleicht gar nicht finden? Vielleicht verstecken sie sich vor uns.“
„Das kann allerdings leicht sein“, gab Gigi zu. „Dann müssen wir sie eben aus ihrem Versteck herauslocken.“
„Und wie?“ fragte Momo. „Sie sind, glaub' ich, sehr schlau.“
„Nichts leichter als das!“ rief Gigi und lachte. „Wir fangen sie mit ihrer eigenen Gier. Mit Speck fängt man Mäuse, also fängt man Zeit-Diebe mit Zeit. Wir haben doch genug davon! Du müßtest dich zum Beispiel als Köder hinsetzen und sie anlocken. Und wenn sie dann kommen, dann werden Beppo und ich aus unserem Versteck hervorbrechen und sie überwältigen.“
„Aber mich kennen sie jetzt schon“, wandte Momo ein. „Ich glaub' nicht, daß sie darauf hereinfallen.“
„Gut“, meinte Gigi, bei dem die Einfälle anfingen, sich zu überstürzen, „dann werden wir eben etwas anderes machen. Der graue Herr hat doch was von der Zeit-Spar-Kasse gesagt. Das muß doch wohl ein Gebäude sein. Es steht irgendwo in der Stadt. Wir müssen es nur finden. Und das werden wir
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