Momo
den Finger im Mund, diese ungewöhnliche Versammlung betrachteten. Franco, Paolo und Massimo waren natürlich auch da, die übrigen Kinder gehörten fast alle zu denen, die erst in letzter Zeit ins Amphitheater gekommen waren. Sie interessierten sich natürlich ganz besonders für die Sache, um die es hier gehen sollte. Übrigens war auch der kleinere Junge mit dem Kofferradio erschienen – ohne Kofferradio allerdings. Er saß neben Momo, der er heute gleich als erstes gesagt hatte, daß er Claudio heiße und froh sei, daß er mitmachen dürfe. Als schließlich ersichtlich war, daß keine Nachzügler mehr kommen würden, erhob sich Gigi Fremdenführer und gebot mit großer Gebärde Schweigen. Die Unterhaltungen und das Geschnatter verstummten, und erwartungsvolle Stille breitete sich in dem steinernen Rund aus. „Liebe Freunde“, begann Gigi mit lauter Stimme, „ihr alle wißt ja schon ungefähr, worum es geht.
Das hat man euch bei der Einladung zu dieser Geheimversammlung mitgeteilt. Bis heute war es so, daß immer mehr Menschen immer weniger Zeit hatten, obgleich mit allen Mitteln fortwährend Zeit gespart wurde. Aber seht ihr, gerade diese Zeit, die da gespart wurde, war es, die den Menschen abhanden kam. Und warum? Momo hat es entdeckt! Den Menschen wird diese Zeit buchstäblich von einer Bande von Zeit-Dieben gestohlen! Und dieser eiskalten Verbrecherorganisation das Handwerk zu legen, das ist es, wozu wir eure Hilfe brauchen. Wenn ihr alle bereit seid, mitzumachen, dann wird dieser ganze Spuk, der über die Menschen gekommen ist, mit einem Schlag zu Ende sein. Meint ihr nicht, daß es sich dafür zu kämpfen lohnt?“
Er machte eine Pause, und die Kinder klatschten Beifall. „Wir werden nachher“, fuhr Gigi fort, „darüber beraten, was wir unternehmen wollen. Aber nun soll euch zuerst Momo erzählen, wie sie einem dieser Kerle begegnet ist und wie er sich verraten hat.“
„Moment mal“, sagte der alte Beppo und stand auf, „hört mal zu, Kinder! Ich bin dagegen, daß Momo redet. Das geht so nicht. Wenn sie redet, bringt sie sich selber und euch alle in die größte Gefahr…“
„Doch!“ riefen einige Kinder, „Momo soll erzählen!“ Andere fielen ein, und schließlich riefen alle im Chor: „Momo! Momo! Momo!“
Der alte Beppo setzte sich, nahm seine Brille ab und strich sich mit den Fingern müde über die Augen.
Momo stand verwirrt auf. Sie wußte nicht recht, wessen Wunsch sie folgen sollte, dem Beppos oder dem der Kinder. Schließlich begann sie zu erzählen. Die Kinder hörten gespannt zu. Als sie geendet hatte, folgte eine lange Stille.
Während Momos Bericht war ihnen allen etwas bänglich zumute gewesen. So unheimlich hatten sie sich diese Zeit-Diebe nicht vorgestellt. Ein kleines Geschwisterchen fing laut zu weinen an, wurde aber gleich wieder beschwichtigt.
„Nun?“ fragte Gigi in die Stille hinein, „wer von euch traut sich, mit uns zusammen den Kampf gegen diese grauen Herren aufzunehmen?“
„Warum hat Beppo nicht gewollt“, fragte Franco, „daß Momo uns ihr Erlebnis erzählt?“
„Er meint“, erklärte Gigi und lächelte aufmunternd, „daß die grauen Herren jeden, der ihr Geheimnis kennt, als Gefahr für sich betrachten und ihn deshalb verfolgen werden. Aber ich bin sicher, daß es gerade umgekehrt ist, daß jeder, der ihr Geheimnis kennt, gegen sie gefeit ist und sie ihm nichts mehr anhaben können. Das ist doch klar! Gib es doch zu, Beppo!“
Aber der schüttelte nur langsam den Kopf. Die Kinder schwiegen.
„Eines steht jedenfalls fest“, ergriff Gigi wieder das Wort, „wir müssen jetzt auf Gedeih und Verderb zusammenhalten! Wir müssen vorsichtig sein, aber wir dürfen uns keine Angst machen lassen. Und darum frage ich euch nun noch einmal, wer von euch will mitmachen?“
„Ich!“ rief Claudio und stand auf. Er war ein bißchen blaß. Seinem Beispiel folgten erst zögernd, dann immer entschlossener andere, bis zuletzt alle Anwesenden sich gemeldet hatten. „Nun, Beppo“, meinte Gigi und wies auf die Kinder, „was sagst du dazu?“
„Gut“, antwortete Beppo und nickte traurig, „ich mach' natürlich auch mit.“
„Also“, wandte Gigi sich wieder an die Kinder, „dann wollen wir jetzt beraten, was wir tun sollen. Wer hat irgendeinen Vorschlag?“ Alle dachten nach. Schließlich fragte Paolo, der Junge mit der Brille: „Aber wie können die das? Ich meine, wie kann man denn Zeit wirklich stehlen? Wie soll denn das gehen?“
„Ja“, rief Claudio, „was
Weitere Kostenlose Bücher