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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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schreiben konnten, eindrucksvolle Texte aus und malten sie darauf. Es waren Aufrufe und auf allen stand außerdem Ort und Datum der Einladung. Als schließlich alles fertig war, stellten sich die Kinder im Amphitheater auf, Gigi, Beppo und Momo an der Spitze, und dann zogen sie mit ihren Tafeln und Transparenten im langen Gänsemarsch in die Stadt. Dazu machten sie Lärm mit Blechdeckeln und Pfeifchen, riefen Sprechchöre und sangen folgendes Lied, das Gigi eigens für diesen Anlaß gedichtet hatte: „Hört, ihr Leut, und laßt euch sagen: Fünf vor zwölf hat es geschlagen. Drum wacht auf und seid gescheit, denn man stiehlt euch eure Zeit.
Hört, ihr Leut, und laßt euch sagen: Laßt euch nicht mehr länger plagen! Kommt am Sonntag so um drei, hört uns zu, dann seid ihr frei!“
Das Lied hatte natürlich noch mehr Strophen, achtundzwanzig insgesamt, aber die brauchen wir hier nicht alle aufzuführen. Ein paar Mal griff die Polizei ein und trieb die Kinder auseinander, wenn sie den Straßenverkehr behinderten. Aber die Kinder ließen sich dadurch keineswegs entmutigen. Sie sammelten sich an anderen Stellen wieder neu und fingen von vorn an. Sonst passierte ihnen nichts, und graue Herren konnten sie, trotz angestrengtester Aufmerksamkeit, nirgends entdecken.
Aber viele andere Kinder, die den Umzug sahen und bisher noch nichts von der ganzen Sache gewußt hatten, schlossen sich an und gingen mit, bis es viele hundert und schließlich sogar tausend waren. Überall in der großen Stadt zogen nun Kinder in langen Prozessionen durch die Straßen und luden die Erwachsenen zu der wichtigen Versammlung ein, die die Welt verändern sollte.

NEUNTES KAPITEL:  Eine gute Versammlung, die nicht stattfindet, und eine schlimme Versammlung, die stattfindet

Die große Stunde war vorüber.
Sie war vorüber, und keiner der Eingeladenen war gekommen. Gerade diejenigen Erwachsenen, die es am meisten anging, hatten von den Umzügen der Kinder kaum etwas bemerkt.
Nun war also alles umsonst gewesen.
Die Sonne neigte sich schon tief dem Horizont zu und stand groß und rot in einem purpurnen Wolkenmeer. Ihre Strahlen streiften nur noch die obersten Stufen des alten Amphitheaters, in dem seit Stunden Hunderte von Kindern saßen und warteten. Kein Stimmengewirr und kein fröhlicher Lärm war mehr zu hören. Alle saßen still und traurig da.
Die Schatten verlängerten sich rasch, bald wurde es dunkel werden. Die Kinder begannen zu frösteln, denn es wurde kühl. Eine Kirchturmuhr in der Ferne schlug achtmal. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, daß die Sache ganz und gar mißlungen war.
Die ersten Kinder standen auf und gingen schweigend fort, andere schlossen sich ihnen an. Niemand sagte ein Wort. Die Enttäuschung war zu groß.
Schließlich kam Paolo zu Momo und sagte: „Es hat keinen Zweck mehr, zu warten, Momo. Jetzt kommt keiner mehr. Gute Nacht, Momo.“
Und er ging.
Dann kam Franco zu ihr und sagte: „Da kann man nichts machen. Mit den Erwachsenen brauchen wir nicht mehr zu rechnen, das haben wir ja jetzt gesehen. Ich war ja immer schon mißtrauisch gegen sie, aber jetzt will ich überhaupt nichts mehr mit ihnen zu tun haben.“ Dann ging auch er, und ihm folgten andere. Und schließlich, als es schon dunkel wurde, gaben auch die letzten Kinder die Hoffnung auf und zogen ab. Momo blieb mit Beppo und Gigi allein.
Nach einer Weile stand auch der alte Straßenkehrer auf.
„Gehst du auch?“ fragte Momo.
„Ich muß“, antwortete Beppo, „ich hab' Sonderdienst.“
„In der Nacht?“
„Ja, sie haben uns ausnahmsweise zum Müll-Abladen eingeteilt. Da muß ich jetzt hin.“
„Aber es ist doch Sonntag! Und überhaupt, das hast du doch noch nie gemußt!“
„Nein, aber jetzt haben sie uns dazu eingeteilt. Ausnahmsweise, sagen sie. Weil sie sonst nicht fertig werden. Personalmangel und so.“
„Schade“, meinte Momo, „ich wär' froh gewesen, wenn du heute hier geblieben wärst.“
„Ja, mir ist es gar nicht recht, daß ich jetzt weg muß“, sagte Beppo.
„Also, auf Wiedersehen bis morgen.“
Er schwang sich auf sein quietschendes Fahrrad und verschwand in der Dunkelheit.
Gigi pfiff leise ein melancholisches Lied vor sich hin. Er konnte sehr schön pfeifen, und Momo hörte ihm zu. Aber plötzlich brach er die Melodie ab.
„Ich muß ja auch weg!“ sagte er. „Heute ist ja Sonntag, da muß ich ja Nachtwächter spielen! Hab' ich dir schon erzählt, daß das mein neuester Beruf ist? Ich hätt's beinah vergessen.“
Momo schaute ihn

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