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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Farben ausdrückten! Die Stimmen in Momos Erinnerung waren es, die diese Worte sprachen - doch mit dieser Erinnerung selbst war etwas Wunderbares geschehen! Momo fand in ihr nun nicht mehr nur das, was sie gesehen und gehört hatte, sondern mehr und immer noch mehr. Wie aus einem unerschöpflichen Zauberbrunnen stiegen tausend Bilder von Stunden-Blumen auf. Und bei jeder Blume erklangen neue Worte. Momo brauchte nur aufmerksam in sich hinein zu lauschen, um diese nachsprechen, ja sogar mitsingen zu können. Von geheimnisvollen und wunderbaren Dingen war da die Rede, aber indem Momo die Worte nachsprach, konnte sie deren Bedeutung verstehen. Das also hatte Meister Hora gemeint, als er gesagt hatte, die Worte müßten erst in ihr wachsen! Oder war am Ende alles nur ein Traum gewesen? War das alles gar nicht wirklich geschehen? Aber während Momo noch überlegte, sah sie unten auf dem runden Platz in der Mitte etwas krabbeln. Es war eine Schildkröte, die da ganz gemächlich nach eßbaren Kräutern suchte! Rasch kletterte Momo zu ihr hinunter und hockte sich neben sie auf den Boden. Die Schildkröte hob nur kurz den Kopf, musterte das Kind mit ihren uralten, schwarzen Augen und fraß dann geruhsam weiter. „Guten Morgen, Schildkröte“, sagte Momo. Keine Antwort erschien auf dem Rückenpanzer. „Warst du es“, fragte Momo, „die mich heute nacht zu Meister Hora geführt hat?“
Wieder keine Antwort. Momo seufzte enttäuscht. „Schade“, murmelte sie, „also bist du nur eine gewöhnliche Schildkröte und nicht die… ach, ich hab' den Namen vergessen. Es war ein schöner Name, aber lang und seltsam. Ich hab' ihn noch nie vorher gehört.“
„KASSIOPEIA!“ stand plötzlich in schwach leuchtenden Buchstaben auf dem Panzer der Schildkröte. Momo entzifferte es entzückt. „Ja!“ rief sie und klatschte in die Hände,“das war der Name! Dann bist du's ja doch? Du bist Meister Horas Schildkröte, nicht war?“
„WER DENN SONST?“
„Aber warum hast du mir denn zuerst nicht geantwortet?“
„ICH FRÜHSTÜCKE“, war auf dem Panzer zu lesen.
„Entschuldige!“ erwiderte Momo. „Ich wollte dich ja nicht stören. Ich möchte nur gern wissen, wie es kommt, daß ich auf einmal wieder hier bin?“
„DEIN WUNSCH!“ erschien als Antwort.
„Sonderbar“, murmelte Momo, „daran kann ich mich gar nicht erinnern. Und du, Kassiopeia? Warum bist du nicht bei Meister Hora geblieben, sondern mit mir gekommen?“
„MEIN WUNSCH!“ stand auf dem Rückenpanzer.
„Vielen Dank“, sagte Momo, „das ist lieb von dir.“
„BITTE“, war die Antwort. Damit schien für die Schildkröte die Unterhaltung zunächst beendet, denn sie stapfte weiter, um ihr unterbrochenes Frühstück fortzusetzen.
Momo setzte sich auf die steinernen Stufen und freute sich auf Beppo, Gigi und die Kinder.
Sie lauschte wieder auf die Musik, die nicht aufhörte, in ihrem Inneren zu klingen. Und obwohl sie ganz allein war und kein Mensch ihr zuhörte, sang sie immer lauter und beherzter die Melodien und die Worte mit, geradewegs in die aufgehende Sonne hinein. Und es schien ihr, als ob die Vögel und die Grillen und die Bäume und sogar die alten Steine diesmal ihr zuhörten. Sie konnte nicht wissen, daß sie für lange Zeit keine anderen Zuhörer mehr finden würde. Sie konnte nicht wissen, daß sie ganz vergeblich auf ihre Freunde wartete, daß sie sehr lange fort gewesen war und daß die Welt sich inzwischen verändert hatte. – Mit Gigi Fremdenführer hatten die grauen Herren es vergleichsweise leicht gehabt.
Es hatte damit begonnen, daß etwas vor einem Jahr, kurz nach dem Tag, an dem Momo plötzlich spurlos verschwunden war, ein längerer Artikel über Gigi in der Zeitung erschien.
„Der letzte wirkliche Geschichtenerzähler“, stand da. Außerdem wurde berichtet, wo und wann man ihn treffen könne, und er sei eine Attraktion, die man nicht versäumen dürfe.
Daraufhin kamen immer häufiger Leute zu dem alten Amphitheater, die Gigi sehen und hören wollten. Gigi hatte natürlich nichts dagegen einzuwenden.
Er erzählte wie immer, was ihm gerade einfiel und ging anschließend mit seiner Mütze herum, die jedesmal voller von Münzen und Geldscheinen war. Bald wurde er von einem Reiseunternehmen angestellt, das ihm zusätzlich noch eine feste Summe bezahlte für das Recht, ihn selbst als Sehenswürdigkeit zu präsentieren. Die Reisenden wurden in Autobussen herbeigeschafft und schon nach kurzer Zeit mußte Gigi einen regelrechten Stundenplan

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