Momo
das gefällt uns nicht. Sei brav und laß es bleiben, ja?“
Gigi nahm all seinen Mut zusammen.
„Nein“, sagte er, „ich lasse es nicht bleiben. Ich bin nicht mehr der kleine, unbekannte Gigi Fremdenführer. Ich bin jetzt ein großer Mann. Wir werden ja sehen, ob ihr es mit mir aufnehmen könnt.“
Die Stimme lachte tonlos, und Gigi begannen plötzlich die Zähne aufeinanderzuschlagen.
„Du bist niemand“, sagte die Stimme. „Wir haben dich gemacht. Du bist eine Gummipuppe. Wir haben dich aufgeblasen. Aber wenn du uns Ärger machst, dann lassen wir die Luft wieder aus dir heraus. Oder glaubst du im Ernst, daß du es dir und deinem unbedeutenden Talent zu verdanken hast, was du jetzt bist?“
„Ja, das glaube ich“, erwiderte Gigi heiser.
„Armer kleiner Gigi“, sagte die Stimme, „du bist und bleibst ein Phantast. Früher warst du Prinz Girolamo in der Maske des armen Schluckers Gigi. Und was bist du nun? Der arme Schlucker Gigi in der Maske des Prinzen Girolamo. Trotzdem, du solltest uns dankbar sein, denn schließlich waren wir es doch, die dir alle deine Träume erfüllt haben.“
„Das ist nicht wahr!“ stammelte Gigi. „Das ist Lüge!“
„Du liebe Zeit!“ antwortete die Stimme und lachte wieder tonlos, „ausgerechnet du willst uns mit der Wahrheit kommen? Du hattest doch früher immer so viele schöne Sprüche von wegen wahr und nicht wahr. Ach nein, armer Gigi, es wird dir nicht gut bekommen, wenn du versuchst, dich auf die Wahrheit zu berufen. Berühmt bist du mit unserer Hilfe für deine Flunkereien. Für die Wahrheit bist du nicht zuständig. Darum laß es sein!“
„Was habt ihr mit Momo gemacht?“ flüsterte Gigi.
„Darüber zerbrich dir nicht deinen niedlichen Wirrkopf! Ihr kannst du nicht mehr helfen – schon gar nicht, indem du nun diese Geschichte über uns erzählst. Das einzige, was du damit erreichen wirst, ist, daß dein schöner Erfolg genau so schnell vorbei sein wird, wie er gekommen ist. Natürlich mußt du das selbst entscheiden. Wir wollen dich nicht abhalten, den Helden zu spielen und dich zu ruinieren, wenn dir so viel daran liegt. Aber du kannst nicht von uns erwarten, daß wir weiterhin unsere schützende Hand über dich halten, wenn du so undankbar bist. Ist es denn nicht viel angenehmer, reich und berühmt zu sein?“
„Doch“, antwortete Gigi mit erstickter Stimme.
„Na, siehst du! Also – laß uns aus dem Spiel, ja? Erzähle den Leuten lieber weiterhin das, was sie von dir hören wollen!“
„Wie soll ich das machen?“ brachte Gigi mit Anstrengung hervor. „Jetzt, wo ich das alles weiß.“
„Ich gebe dir einen guten Rat: Nimm dich selbst nicht so ernst. Es kommt wirklich nicht auf dich an. So betrachtet, kannst du doch sehr schön weitermachen wie bisher!“
„Ja“, flüsterte Gigi und starrte vor sich hin, „so betrachtet…“
Dann klickte es im Hörer, und auch Gigi hängte ein. Er fiel vornüber auf die Platte seines großen Schreibtisches und verbarg das Gesicht in seinen Armen. Ein lautloses Schluchzen schüttelte ihn. Von diesem Tag an hatte Gigi alle Selbstachtung verloren. Er gab seinen Plan auf und machte weiter wie bisher, aber er fühlte sich dabei wie ein Betrüger. Und das war er ja auch. Früher hatte ihn seine Phantasie ihre schwebenden Wege geführt und er war ihr unbekümmert gefolgt. Aber nun log er! Er machte sich zum Hanswurst, zum Hampelmann seines Publikums, und er wußte es. Er begann seine Tätigkeit zu hassen. Und so wurden seine Geschichten immer alberner oder rührseliger. Aber das tat seinem Erfolg nicht etwa Abbruch, im Gegenteil, man nannte es einen neuen Stil, und viele versuchten ihn nachzuahmen. Er wurde große Mode. Aber Gigi hatte keine Freude daran. Er wußte ja nun, wem er das alles verdankte. Er hatte nichts gewonnen. Er hatte alles verloren.
Aber er raste weiter mit dem Auto von Termin zu Termin, er flog mit den schnellsten Flugzeugen und er diktierte unaufhörlich, wo er ging und stand, den Sekretärinnen seine alten Geschichten im neuen Gewand. Er war - wie in allen Zeitungen stand - „erstaunlich fruchtbar“. So war aus dem Träumer Gigi der Lügner Girolamo geworden.
Viel schwerer war es den grauen Herren geworden, mit dem alten Beppo Straßenkehrer fertig zu werden.
Nach jener Nacht, in der Momo verschwunden war, saß er, wann immer seine Arbeit es ihm erlaubte, im alten Amphitheater und wartete. Seine Sorge und Unruhe wuchs von Tag zu Tag.
Und als er es schließlich nicht mehr aushalten konnte,
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