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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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sie energisch mit einem zerknüllten Papiertuch. »Ich hol deine Koffer.«
    Als er gegangen war, spazierte Kumiko um die Badewanne, die ganz aus schwarzem Marmor
    war und die Mitte des niedrigen, engen Raumes beherrschte. Die Wände, die eine Schräge hatten, waren mit goldgesprenkelten Spiegeln verkleidet. Zwei kleine Dachfenster flankierten das größte Bett, das Kumiko je zu Gesicht bekommen hatte. Über dem Bett waren in den Spiegel verstellbare Lämpchen eingelassen wie Leselicht im Flugzeug. Sie trat neben die Wanne und berührte den geschwungenen Hals eines goldenen Schwans, der als Wasserhahn diente. Seine ausgebreiteten Schwingen waren die Griffe. Es war warm im Zimmer und ohne Zug, und im
    ersten Moment schien die Gegenwart ihrer Mutter die Luft zu erfüllen wie ein quälender Nebel.
    Petal an der Tür räusperte sich. »Nun«, sagte er und rauschte mit ihrem Gepäck herein, »alles in Ordnung? Hast du schon Hunger? Nein? Jetzt gewöhn dich erst mal ein ...« Er stellte die Koffer nebens Bett. »Wenn du was essen möchtest, meld dich einfach.« Er deutete auf ein antikes Schmucktelefon mit verschnörkelter, messingener Sprech-und Hörmuschel und gedrehtem
    Elfenbeingriff. »Einfach abheben, brauchst nicht zu wählen. Frühstück gibt's, wann du willst.
    Frag einfach, man zeigt dir, wo. Danach kannst du zu Swain ...«
    Das Gefühl von der Mutter war mit seiner Rückkehr verschwunden. Sie versuchte, es wieder zu spüren, als er gute Nacht sagte und die Tür schloß, aber es war weg.
    Lange blieb sie neben der Wanne stehen und streichelte übers glatte Metall des kühlen
    Schwanenhalses.
     
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    Kid Afrika kreuzte am letzten Novembertag in Dog Solitude auf. Seinen Oldtimer-Dodge fuhr eine Weiße, die Cherry Chesterfield hieß.
    Slick Henry und Little Bird zerlegten gerade die Kreissäge, die als linke Hand des 5LFKWHUV
    fungierte, als Kids Dodge in Sicht kam, dessen geflicktes Luftkissen braune Fontänen der
    rostigen Brühe aufwarf, die im Solitude auf dem unebenen Hof aus gewalztem Stahl Pfützen
    bildete.
    Little Bird sah es zuerst. Er hatte scharfe Augen, Little Bird, und ein 10 X Monokular, das neben allerlei Tierknochen und antiken messingenen Flaschenhalspatronen an seiner Brust baumelte.
    Slick schaute vom hydraulischen Handgelenk auf und sah, wie Little Bird sich zu seinen vollen zwei Metern aufbaute und das Monokular durch das unverglaste Stahlgitter richtete, aus dem die Südwand der Fabrik hauptsächlich bestand. Little Bird war spindeldürr, fast ein Skelett, und die gelackten braunen Haarbüschel, die ihm seinen Namen eingebracht hatten, zeichneten sich, wie Flügel zu Berge stehend, scharf vom grauen Himmel ab. Er hatte die Seiten und den Nacken kahlgeschoren bis hoch über die Ohren; mit den Flügeln und dem aerodynamischen
    Entenschwanz sah er aus, als hätte er eine kopflose braune Möwe auf.
    »Brrr«, sagte Little Bird. »Scheiße.«
    »Was?« Es war schwer, Little Bird Konzentration abzugewinnen, und für die Arbeit war ein
    zweites Paar Hände erforderlich.
    »Es ist der Nigger.«
    Slick stand auf und wischte sich die Hände an den Jeansbeinen ab, während Little Bird das grüne Mech-5 Microsoft aus der Buchse hinterm Ohr pulte — und augenblicklich das 8er Servo-Kalibrierungsverfahren vergaß, das nötig war, um die Kreissäge des Richters wieder hinzukriegen. »Wer fährt?« Afrika saß nie selbst am Steuer, wenn es sich vermeiden ließ.
    »Kann ich nicht sehn.« Little Bird ließ das Monokular klappernd auf seinen Knochen-und
    Messingbehang fallen.
    Slick trat zu ihm ans Fenster und beobachtete, wie der Dodge näherkam. In regelmäßigen
    Abständen möbelte Kid Afrika den mattschwarzen Lack des Luftkissenfahrzeugs mit
    wohldosiertem Einsatz eines Farbsprays auf, wobei verchromte Totenköpfe, die in einer Reihe an den wuchtigen vorderen Stoßdämpfern geschweißt waren, den finstern Eindruck noch verstärkten. Früher hatten die hohlen Schädel aus Stahl rote Christbaumkugeln als Augen;
    vielleicht scherte sich der Kid neuerdings weniger ums Image.
    Als das Hovercraft zur Fabrik rauschte, hörte Slick Little Bird nach hinten ins Halbdunkel schlurfen, wobei er mit seinen schweren Stiefeln durch Staub und glänzende Schnecken aus feinen Metallspänen stapfte.
    Slick beobachtete durch ein letztes staubiges Fensterglas, eine messerförmige Scherbe, wie das Hovercraft vor der Fabrik schnaubend und rauchend ins Luftkissen sackte.
    Es klapperte etwas hinten im Dunkeln, und er

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