Mona Lisa Overdrive
den Aufbau montierte Gerät zu steuern schien.
Simstim? Sah nicht danach aus. Irgendein Cyberspace-Gerät? Gentry wußte 'ne Menge über
Cyperspace oder redete zumindest davon, aber Slick hatte, wenn er sich recht erinnerte, noch nie gehört, daß einer bewußtlos wurde und einfach eingestöpselt blieb ... In den Cyberspace klinkte man sich zum Hökern ein. Die E-troden rauf, und da draußen sind sie, alle Daten der Welt, zusammengepackt wie eine einzige riesige Neonstadt, so daß du rumziehen kannst und irgendwie rankommst — optisch zumindest, denn wenn nicht, ist's zu kompliziert — beim Versuch, dich an bestimmte gewünschte Daten heranzupirschen. Ikonik, nannte Gentry das.
*REM (rapid eye movenient): schnelle Augenbewegung während der Traumphasen des Schlafs. — $QP G hEHUV
»Bezahlt er den Kid?«
»Ja«, sagte sie.
»Für was?«
»Daß er ihn in dem Zustand läßt. Und ihn versteckt.«
»Vor wem?«
»Weiß ich nicht. Hat er nicht gesagt.«
In der Stille, die folgte, konnte er den Mann regelmäßig und schnarrend atmen hören.
0DOLEX
Das Haus hatte einen Geruch, den es schon immer hatte.
Er rührte vom Alter her und von der Salzluft und der entropischen Natur teurer Häuser, die zu nah ans Meer gebaut sind. Vielleicht war er auch typisch für Häuser, die regelmäßig vorübergehend unbewohnt waren, die auf-und zugemacht wurden, wenn seine rastlosen
Bewohner ankamen und abreisten. Sie stellte sich die Zimmer leer vor, stellte sich vor, wie das Chrom still Rost ansetzt, wie heller Schimmel finstre Ecken befällt. Die Architekten hatten, als wollten sie diesem ewigen Prozeß Tribut zollen, dem Rost gewissermaßen Vorschub geleistet; das massive Stahlgeländer entlang der Terrasse war durch die Jahre von der zersetzenden Gischt armdünn geworden.
Das Haus ruhte wie die Bauten der Nachbarschaft auf alten Grundmauerresten, und bei ihren Strandspaziergängen entwickelte sie zuweilen archäologische Phantasien. Sie versuchte, sich eine Vergangenheit auszumalen, die zu dem Ort paßte, mit andern Häusern, andern Stimmen.
Begleitet wurde sie bei diesen Spaziergängen von einem bewaffneten, ferngesteuerten
Miniaturhubschrauber Marke Dornier, der von seinem unsichtbaren Dachhorst aufstieg, sobald sie von der Terrasse trat. Er konnte nahezu geräuschlos an der Stelle schweben und war so progammiert, daß er ihre Blickrichtung mied. Wie er ihr auf Schritt und Tritt folgte, das hatte etwas Wehmütiges an sich, als wäre er ein teures, aber nicht geschätztes Weihnachtsgeschenk.
Sie wußte, daß Hilton Swift sie durch die Kamera des Dornier beobachtete. Wenig, was im
Strandhaus geschah, entging Sense/Net; ihre Einsamkeit, die Woche allein, die sie verlangt hatte, stand unter ständiger Beobachtung.
Die Jahre im Beruf hatten sie einzigartig immun gemacht gegenüber Beobachtung.
Nachts machte sie manchmal das Flutlicht unterhalb der Terrasse an und leuchtete die grotesken Hieroglyphenornamente der großen grauen Sandflöhe aus. Die Terrasse selbst ließ sie dunkel, ebenso das nach unten versetzte Wohnzimmer dahinter. Sie saß auf einem Stuhl aus schlichtem weißen Kunststoff und beobachtete den Brown'schen* Tanz der Flöhe. Im grellen Flutlichtschein warfen sie winzige, kaum wahrnehmbare Schatten, flüchtige Höcker im Sand.
Das Rauschen des Meeres lullte sie ein mit seinem Takt. Spät nachts, wenn sie im kleineren der beiden Gästezimmer schlief, schlich es sich in ihre Träume ein. Niemals aber in die übergreifenden fremden Erinnerungen.
Die Wahl des Schlafzimmers vollzog sich instinktiv. Das
eigentliche Schlafzimmer war mit altem Schmerz vermint.
Die Ärzte in der Klinik hatten die chemische Zange angesetzt, um die suchtempfänglichen
Rezeptoren im Hirn abzuklem-men.
Sie kochte selber in der weißen Küche, taute Brot auf in der Mikrowelle und warf Schweizer Päckchensuppe in blitzsaubere Edelstahltöpfe, wobei sie schleppend in den namenlosen, aber zusehends vertrauteren Raum rückte, von dem sie der Designerstoff so raffiniert isoliert hatte.
»Nennt sich Leben«, sagte sie zur weißen Theke. Und was würden die Hauspsychologen von
Sense/Net davon halten, fragte sie sich, wenn das ein verstecktes Mikro aufschnappte und an sie weiterleitete? Sie rührte die Suppe mit einem schmalen rostfreien Schneebesen um und sah den Dampf aufsteigen. Es half, wenn man was selber machte, dachte sie, wenn man einfach selber was tat. In der Klinik wurde darauf bestanden, daß sie das Bett selber machte.
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