Mond der Unsterblichkeit
hatte sie hinunter g e schluckt. Ihre Hände zogen zitternd den Schlüssel aus dem Zün d schloss, als sie den Mini parkte. Sie hörte Mom nach ihr rufen, und wischte sich beim Aussteigen hastig mit dem Handrücken die Tränen fort.
14.
E in sternklarer Himmel wölbte sich über den von unzähligen Fackeln erleucht e ten Schlosspark. Für den Spätherbst war es ein ung e wöhnlich lauer Abend. Rund ums Schloss brannten kleine Feuer.
Mom stellte den letzten Kürbis auf. Dekorativ rahmten die ausgehöhlten Früchte die Tanzbühne ein. Dann eilte Mom zu dem Zelt, in dem ein Buffet bereitstand, das Cecilia und sie gemeinsam vorbereitet hatten. Ihre Wangen glü h ten vor Eifer. Amber fand Mums Enthusiasmus übertrieben. Sie sollte den Abend g e nießen, statt sich in Arbeit zu stürzen. Doch da würde sie bei Mom auf taube Ohren stoßen.
Im Hintergrund spielten Dudelsäcke bekannte Melodien. Fast alle Ei n wohner Gealachs waren gekommen. Die meisten tr u gen Hexen- oder Magierkostüme. Amber verzichtete wie einige wenige auf eine Kostümi e rung.
Gordon Macfarlane spielte den perfekten Gastgeber. Im Kilt stand er am Ei n gang des Parks, um die eintreffenden Gäste per Han d schlag zu begrüßen. Aber es ging keine Herzlichkeit von ihm aus, sondern er ve r mittelte eher das Gefühl, ein Almosenverteiler zu sein. Amber schü t telte den Kopf. Dieser Snob. Er und Aidan besaßen keine Gemeinsa m keiten.
Gelangweilt ließ Amber den Blick über die Gäste schweifen und nippte an e i nem Glas Rotwein, bis sie Sally sah, die sich angeregt mit einem älteren Ehepaar unte r hielt. War sie aus der psychiatrischen Klinik entlassen worden? Beth hätte die Neui g keit sofort weitergegeben.
Amber ging auf Sally zu, als jemand sie am Ärmel festhielt. Es war Beth, mit einem spitzen Hut auf dem Kopf, und in einen schwarzen U m hang gehüllt.
„Haste nicht mit mir gerechnet? Meine Eltern sind da drüben. Um Mitternacht feiern sie mit Macfarlane das Begrüßungsritual.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht und wippte auf den Zehenspitzen.
„Begrüßungsritual?“
„Man begrüßt das neue Jahr und vertreibt die bösen Geister.“
„Ach, so, ja. Man begrüßt das neue Jahr“, antwortete Amber.
„Yep.“ Beth hob den Daumen.
In den letzten Tagen hatte Amber viel über Halloween gelesen. Für die Kelten war Halloween der Neujahrstag, ein Fest zu Ehren des Tode s fürsten Samhain. Sie glaubten, dass an diesem Tag das G e füge zwischen Totenreich und der Welt der Lebenden aufgehoben wäre. Samhain e r laubte den Seelen der Verstorbenen an diesem Tag in die irdische Welt zurückzukehren. Das stand in dem Buch, aus dem Kevin ihr vorgelesen, und welches sie an sich geno m men hatte. Hermit hatte recht. Wieder ein heidnisches Fest, das die christliche Welt übernommen hatte.
Amber erschauerte bei der Vorstellung, Gordon Macfarlane wolle die Geister nicht vertreiben, sondern herbeilocken.
„Hast mir wieder mal nich zugehört“, beschwerte sich Beth und zog einen Schmollmund.
Amber sah über Beths Schulter nach Sally. Doch die war ve r schwunden.
„Du guckst so, als hättste einen Geist gesehen.“ Beth drehte sich in die gleiche Richtung.
„Hab ich vielleicht auch. Ist Sally schon wieder aus der Klinik entlassen wo r den?“
„Nö. Nich, dass ich wüsste. Ist diese Irre hier?“
Amber schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, vielleicht hatte ich ja auch eine Halluzination.“
„Ich werd mal unsere Kommilitonen begrüßen. Kommste mit?“
„Nein, ich muss meiner Mutter helfen“, log Amber, die keine Lust ve r spürte, noch weitere Zeit an der Seite der redseligen Beth zu verbringen. Sie suchte nach Aidan, während sie zum Zelt stapfte.
Natürlich war er wieder von Studentinnen umringt. Aidan lächelte und nickte Amber flüchtig zu, denn eine der St u dentinnen zupfte an seinem Ärmel und verlangte erneut seine Aufmerksamkeit. Sie überlegte, sich zu ihm und der sche r zenden Gruppe zu gesellen, doch dann entschied sie sich anders. Von den Ha l loweenfeuern angezogen, verließ sie den Schlosspark und schle n derte zum Loch. Tränen bran n ten in ihren Augen. Aidan wollte nichts von ihr wissen, das hatte er ihr deutlich gezeigt. Am Waldrand lehnte sie sich an e i nen Baumstamm und beobachtete das Flamme n spiel.
Schritte näherten sich. Amber fuhr herum. Ihr Herz klopfte wie ve r rückt, als sie Aidan im Schein des Feuers erkannte. Als er schließlich vor ihr stand, streifte sein Atem ihr
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