Mond der Unsterblichkeit
schlug den Weg zum Moor ein, das ihm vertraut war wie kein anderer Ort. Als Kind hatte er es mit Freunden erkundet. Heute belächelte er seine Naiv i tät, dass sie damals alle an Moorgeister und Feen fest geglaubt hatten. Ihr größter Wunsch war, deren Verstecke aufz u spüren. Dadurch kannte er jeden Meter des Moors, wie seine Westentasche, wusste, wo es am gefährlichsten war, und wo man Moorleichen g e funden hatte.
Der Lichtkegel der Taschenlampe war groß und hell, dennoch konnte er ni r gendwo im weichen Boden Fußabdrücke erkennen. Langsam b e gann er an dem Gedanken zu zweifeln, Amber könne sich ins Moor ve r irrt haben. Dennoch ging er weiter.
„Amber?“, rief er immer wieder.
Sollte sie sich noch weiter vorgewagt haben? Es war das gefährlichste aller Moore der Gegend, weil es sich ständig veränderte. Es lebte und dehnte sich aus.
Er durfte nicht daran denken, Amber könnte im weichen Untergrund versu n ken sein.
Voller Konzentration tastete er mit der Fußspitze den Boden ab, was ihn nur lan g sam vorankommen ließ.
Ein ersticktes Weinen, nicht weit entfernt, ließ ihn inneha l ten.
„Amber? Bist du es?“, schrie er, während er sich um die eigene Achse drehte. Aufgeregt leuchtete er mit dem Strahl der Taschenlampe in jeden Winkel. „A m ber, wenn du es bist, dann gib mir ein Zeichen!“
Ein R a scheln drang aus dem Unterholz zu seiner Rechten. Er bückte sich und leuchtete durch das kahle Gebüsch.
„Aidan? Bitte hol mich hier raus“, hörte er ihre schwache Stimme.
Erleichterung machte sich so schlagartig in ihm breit, dass ihm für S e kunden schwindelig wurde.
„Dem Himmel sei Dank! Beweg dich nicht, ich komme!“
„Beeil dich, ich sinke immer tiefer und stecke schon bis zur Brust im Morast.“ Sie schluchzte auf.
Aidan teilte das Gebüsch, das ihm ein Hosenbein seiner Jeans zerriss. Der Schein der Taschenlampe fiel auf Amber. Von dem Lichtschein geblendet, b e deckte sie mit der Hand ihre Augen. Aidan legte sich auf den Bauch und robbte vorsichtig näher. Er hatte aus dem Ruc k sack das Seil gezogen und warf ihr ein Ende zu.
„Du musst es dir ganz langsam umwickeln und vor der Brust binden. Dann ziehe ich dich raus. Und keine Angst, wir schaffen das. Du bist nicht die Erste, die ich aus dem Moor ziehe.“ Er lachte ihr au f munternd zu und stellte erleichtert fest, dass Amber sich ein wenig en t spannte. Sie ergriff das Seil und zog es hinter ihrem Rücken entlang, um es schließlich vor der Brust zusammenzuknoten. Und wi e der sank sie ein wenig tiefer durch die Bewegung.
„Jetzt halte dich mit beiden Händen am Seil fest.“
Sie nickte. Aidan zog mit aller Kraft, dass es in seinen Handgelenken knackte.
„Es hat keinen Zweck, Aidan. Wir schaffen das nicht. Ich stecke zu fest.“
Der verzweifelte Klang ihrer Stimme entging ihm nicht. Er musste sie jetzt herau s ziehen. Würde er loslaufen, um Hilfe zu holen, käme diese zu spät.
„Gib nicht auf, Amber. Halte dich fest. Vertrau mir. Ich hole dich da raus.“
Amber weinte, dennoch umklammerte sie beherzt das Seil. Aidan presste die Zähne aufeinander. Dann kniete er sich hin und hoffte, der Boden unter ihm möge nicht nachgeben. Das Seil schnitt in seine Hände, aber er zog mit aller Kraft, ohne dem Schmerz Beachtung zu schenken. Zentimeter für Zentimeter schob sich Ambers Körper aus dem Morast.
„Zieh! Zieh!“, feuerte sie ihn unter Tränen an.
Seine Muskeln spannten sich wieder an und seine Hände u m klammerten das Seil, bis die Knöchel weiß hervortraten.
„Oh, Aidan, bitte zieh, ich sinke wieder!“, schrie sie hysterisch.
„Ganz ruhig, Amber, nicht bewegen. Vertrau mir. Nicht aufgeben. Wir scha f fen das.“ Vorsichtig robbte er zurück, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er suchte nach festem Halt. Als er ihn gefunden hatte, hockte er sich hin und zog. Dann legte er noch einmal alle Kraft hinein, dass er glaubte, seine Muskeln wü r den reißen. Aber Amber bewegte sich keinen Zentimeter weiter. Wenn er jetzt losließe, wäre alles zu spät. Das Brennen in seinen Han d flächen nahm zu, doch eisern umschloss er das Seil und presste die Zähne fester zusa m men. Bis zum bitteren Ende, bis seine Kräfte nachließen, würde er nicht losla s sen.
„Amber“, presste er zwischen den Zähnen hervor, aber sie schien ihn nicht zu hören, wirkte wie entrückt.
Schließlich schloss sie die Augen und murmelte: „Geister des Wi n des gebt ihm Kraft! Hört mich an!“
Im gleichen Moment kam ein leichter
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