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Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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leblosen Körper, bis ein roter Strich, der unter dem Stoff des weißen Seidenhemdes hindurchschimmerte, sie irr i tierte. Durfte sie die Ruhe eines Toten stören? Sie entschied sich dafür, weil sie glaubte, der Wahrheit über seinen Tod näher zu kommen, und schlie ß lich war es ja ihr Vater, den sie tausendmal berührt hatte.
    Mit zitternden Händen knöpfte sie sein Hemd auf.
    „Was machst du da?“, rief Kevin und wollte ihre Hände fortziehen, aber sie wehrte ab.
    „Das erkläre ich dir später. Vertrau mir.“ Sie schob den Stoff auseinander und e r starrte.
    Quer über den nackten Brustkorb verlief eine Wunde, die den Krat z spuren auf ihrer Schulter verblüffend ähnelte. Amber wich vor Entsetzen zurück.
    „Nein“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. Diese Wunden gl i chen keinen Schnittwunden, das war gewiss. Sie steckte die Finger in Dads Kragen. Eine tiefe Fleischwunde klaffte darunter, die man mit einem Schal verdeckt hatte.
    „Oh, mein Gott!“, stieß Kevin aus.
    Amber wandte den Kopf ab, weil sie den Anblick nicht ertragen kon n te. Das war keine Schnittwunde von einer Glasscherbe, wie die Polizei erklärte hatte.
    Alle hatten gel o gen.
    Und noch eines war seltsam. Dads Hände waren nicht gefaltet, sondern ruhten zu beiden Seiten seines Körpers. Einem unbestimmten Gefühl folgend, drehte sie vo r sichtig seine Hand, als wäre sie aus zerbrechlichem Glas. Sie erschauerte bei der Berü h rung der eiskalten Finger. Als sie das eingeritzte Pentagramm auf Dads Handgelenk e r kannte, ließ sie mit einem leisen Aufschrei den Arm los. Kevin stieß geräuschvoll den Atem aus. Amber brauchte einen M o ment, um sich zu fassen. Gebannt starrte sie auf das Zeichen, bis sie darüber strich. Plötzlich begann es zu verblassen und sich in Windeseile in ein anderes Zeichen zu ve r wandeln. Ein Wappen, das sie nicht kannte. Das der Macfarlanes sah anders aus. Schließlich verschwand auch dieses vor ihren Augen, ohne eine Spur zu hinte r lassen. Dads Arm, an dem noch eben das Zeichen prangte, war makellos. Das konnte nur Schwarze Magie sein, so wie sie es in K e vins Buch gelesen hatte.
    Die Polizisten, der Bestatter und noch viele andere hüteten ein dunkles G e heimnis. Bestimmt gehörten sie auch dem Druidenclan Gordon Macfarlanes an, und hatten ihn bei der Halloweenpr o zession nach Clava Cairn, und vielleicht sogar in die Brennerei begleitet. Ihr Vater war Opfer eines okkulten Rituales g e worden.
    „Was war das denn eben?“, fragte Kevin ängstlich.
    „Ich weiß es nicht, aber es sieht nach irgendeinem schwarzen Zauber aus.“
    „Hm. Und was haben dann diese Schnittwunden zu bedeuten?“
    „Das sind keine Schnittwunden“, flüsterte sie. „Dad ist nicht durch einen U n fall ums Leben gekommen. Ihm ist etwas anderes, viel Furch t bareres passiert.“
    „Was meinst du damit?“ Kevin fasste nach Ambers Hand.
    „Ich glaube, Dad ist einem Werwolf zum Opfer gefa l len.“
    Kevin schrak zusammen. „Was?“
    Amber erzählte ihm von den Geschehnissen der Halloweennacht. Erst u n gläubig, aber dann immer aufmerksamer lauschte Kevin ihren Worten.
    Plötzlich wurden sie unterbrochen. Als sich feste Schritte näherten, knöpfte Amber Dad hastig das Hemd wieder zu und schob den Arm dicht an den toten Leib. Kevin und Amber wirbelten herum. Amber wurde schwindelig. Die G e danken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie spürte Kevins ei s kalte Hand, die sich in die ihre schob.
    Der Bestatter stand im Türrahmen und musterte sie durchdringend. Auch in seinem Blick lag etwas Bedrohliches. Wie viel mochte er beobachtet haben? Furcht stieg in Amber auf. McDuffs Blick wechselte zwischen Amber und dem Sarg. Dann läche l te er.
    „Ihre Mutter fühlt sich nicht wohl und möchte nach Hause, Miss Stern.“
    „Ja, ja, natürlich“, antwortete Amber hastig.
     
    Amber nahm den Teekessel vom Herd und goss das heiße Wasser in die beiden Tassen. Ihre Mutter blickte trübsinnig auf den dam p fenden Tee, während sie rührte. Die ganze Rückfahrt vom Bestatter bis zum Schloss hatte sie geweint.
    „Mom?“
    „Ja?“ Sie schniefte.
    „Ich glaube nicht daran, dass Dad bei dieser Explosion verunglückt ist. Ich glaube, er wurde ermordet.“ Jetzt war es heraus.
    Mom sah sie entsetzt an. „Mein Gott, Amber, wie kommst du nur da r auf? Die Polizei sagt, dass alles für einen Unfall spricht. Wer sollte ihn ermorden wollen? Dein Vater hatte keine Feinde. Außerdem wurde weder etwas gesto h len, noch ist jemand in die

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