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Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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Finsternis re a ler. Es gab sie, diese dunkle Welt, selbst wenn niemand deren Existenz wahrh a ben wollte.
    Als sie nach einem frischen T-Shirt griff, fiel ihr Blick auf die Kleidung, die Aidan ihr am Vortag geliehen hatte. Die Erinnerung an die Leide n schaft weckte die Sehnsucht, Aidan nah zu sein, und bei ihm Trost zu fi n den. Sie beschloss, ihn aufz u suchen.
    Als sie das Badezimmer verließ, traf sie auf ihre Mutter, deren geschwollene Augen von einer schlechten Nacht zeugten. Dunkle Schatten lagen darunter. Sie trug einen Mantel über dem Arm.
    „Hallo, Mom. Wie geht es dir?“, fragte Amber voller Mitleid und nahm sie in den Arm.
    „Frag nicht. Die letzte Nacht war die schlimmste meines Lebens.“ Tränen schimmerten in ihren Augen.
    „Meine auch.“ Amber gab Mom einen Kuss auf die Wange. „Wo willst du hin?“
    „Zum Bestatter. Ich wollte mich von deinem Dad verabschieden, b e vor …“ Sie brach ab und ein Sturzbach an Tränen folgte.
    „Ich begleite dich, Mom“, flüsterte Amber, die es große Mühe ko s tete, gefasst zu bleiben. Zum Dank drückte Mom ihr die Hand und nickte.
    „Ich komme auch mit“, meldete sich Kevin, der aus seinem Zimmer trat.
     
    Kurz darauf saßen alle drei schweigend in Ambers Mini auf der Fahrt nach G e alach. Ambers Hände umklammerten das Steuer, während sie sich in Gedanken wieder in der Halloweennacht bei der B e gegnung mit dem Wolf befand. Erst als sie vor dem Haus des Bestatters parkte, end e te ihr Grübeln.
    Der beleibte Bestatter McDuff öffnete ihnen die Tür und führte sie nach einer kurzen Begrüßung durch einen langen Korridor zur Leiche n halle, in der Finlay Stern aufgebahrt war. Ambers Herz schlug hart gegen ihre Rippen und ihr M a gen krampfte sich zusammen. Wie sollte sie den Anblick des toten Vaters ve r kraften? Am liebsten wäre sie davongelaufen, doch sie war es ihm schuldig, L e bewohl zu sagen. Sie atmete tief ein, hakte sich bei ihrer Mutter und ihrem Br u der unter und folgte dem B e statter.
    Inmitten der fensterlosen Halle stand auf einem Podest der geöffn e te Sarg. Zu beiden Enden brannten Kerzen in schwarzen, dreiarmigen Kandelabern. Das Kerzenlicht verlieh der Atmosphäre etwas Eh r fürchtiges und zugleich Düsteres. Der Tod war nah, als säße er in einer Ecke und beobachtete sie. Ein Schauer lief Amber den Rücken entlang und ließ sie frösteln. Langsam schritten sie durch den Raum, bis sie vor dem Sarg stehen blieben.
    Amber schloss die Augen und atmete tief durch. Die Hände geballt, konzen trierte sie sich darauf, ihren Schmerz nicht laut hinauszuschreien. Mom begann erneut zu weinen.
    „Mein aufrichtiges Beileid, Mrs. Stern. Wir haben die Wunden ihres Gatten so gut wie möglich überdeckt. Falls Sie noch Wünsche haben sollten …“ Die hohe Stimme des Bestatters wirkte in dieser traurigen Stunde grotesk.
    Amber sah, wie Mom schwankte, als ihr Blick auf Dad fiel, der in einem Anzug auf weiße Seide gebettet war. Sie strec k te den Arm aus, um ihn zu berühren, zog ihn aber hastig z u rück, als hätte sie sich verbrannt. Dann schlug sie die Hände vors G e sicht und schluchzte.
    Amber hingegen konnte nicht weinen. Wie betäubt starrte sie auf den toten Körper, auf sein bleiches Gesicht, über das sich eine fingerla n ge Wunde zog, die man mit Make-up abzudecken versucht hatte, und die nun wie eine teigige Wulst au s sah. Auch an den gefalteten Händen besaß er Wunden unter einer Schicht Make-up.
    Kevin trat neben sie und faltete die Hände. Eine Weile standen sie so da, bis ihre Mutter plötzlich taumelte und fast gestürzt wäre, wenn der Bestatter und Amber sie nicht rechtzeitig aufgefangen hätten.
    „Mrs. Stern, kommen Sie. Sie haben sich zu viel zugemutet. N e benan können Sie sich setzen und Kraft sammeln. Ich bringe Ihnen ein Glas Wasser.“ Fürsor g lich begleitete der Bestatter sie aus dem Raum, während Amber und Kevin z u rückblieben. Das sah aus, als schliefe er, und es war einfach nicht vorstellbar, dass er nie wieder aufstehen würde.
    „Leb wohl, Dad. Ich liebe dich. Danke für alles, was du für mich g e tan hast“, flüsterte Amber und berührte seine eiskalte Wange.
    „Leb wohl, Dad. Ich werde dich schrecklich vermissen.“ Kevin schniefte und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
    Fassungslos sah Amber auf Dad hinab, als könnte er jeden M o ment die Augen aufschlagen und ihr augenzwinkernd antworten, so, wie er es immer getan hatte, mit liebevollem Humor. Ambers Blick glitt über den

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