Mond der Unsterblichkeit
selbst finden. Zeig ihr, dass du immer für sie da bist, und sprich über deinen Schmerz. Ihr Leid ist auch dein Leid.“
Amber seufzte und lehnte ihren Kopf an seine Schu l ter.
Eine Weile liefen sie schweigend Hand in Hand den schmalen Pfad en t lang, der Loch und Schloss verband, vorbei an einer weiträumigen, mit Heide überw u cherten Fläche. Mitten hindurch führte ein Trampe l pfad zu einer Eiche, deren Stamm nur von zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen umfasst werden konnte.
Als sie darunter standen, sah Aidan durch die herbstliche Krone zum Himmel auf. „Dieser Ort ist etwas ganz Besonderes. Wann i m mer es mir schlecht geht, komme ich her und tanke Kraft. Hier fühle ich mich beschützt. Vielleicht spe n det er dir auch Kraft.“ Er läche l te sie an.
„Ja, ich bin davon überzeugt, dass es Orte mit ganz besonderer Au s strahlung gibt. Vielleicht auch solche, an denen man Energie tanken kann. Mir gefällt es hier.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Sanft umfasste er ihr Gesicht. „Wann immer du mich vermisst, meine süße Amber, an diesem Ort werde ich dir immer nahe sein. Meine Gedanken verwe i len hier und deshalb bin ich hier.“
Noch einmal sah Amber auf. „Da gibt es noch was, das ich dir sagen möchte“, fuhr sie fort.
„Ich höre.“ Er lächelte sie aufmunternd an.
„Wir waren heute beim Bestatter, um Dad noch ein letztes Mal zu sehen. Ich glaube, Dad ist nicht bei einem Unfall in der Brennerei ums L e ben gekommen.“
Aidan hob die Brauen und das flaue Gefühl in seiner Magengegend verstärkte sich wieder. „Wie meinst du das?“
„Ich habe an ihm Kratzwunden gefunden, die den meinen ähneln. Du weißt schon, die der Wolf mir zugefügt hat. Ich bin davon überzeugt, von einem We r wolf verfolgt worden zu sein. Werwölfe sind kein Mythos, sondern sie existieren wirklich. Ich habe mir die Verwan d lung im Moor nicht eingebildet. Die junge Frau ist ein Werwolf. Sie hat vielleicht meinen Vater getötet. Und ich glaube, dein Vater weiß davon und ve r schweigt die Wahrheit.“
Aidan schluckte hart. Die blutbefleckte Kutte passte zu dem Bild. Dann wäre der Wolf aus seiner Kindheit w o möglich auch einer gewesen.
„Ich weiß nicht recht. Das hört sich zu fantastisch an …“
„Du glaubst mir nicht“, unterbrach sie ihn vorwurfsvoll. „Aber ich habe mir das nicht eing e bildet, die Verwandlung des Wolfes, meine Flucht, und Sally. Hier geht seit Langem etwas Unheilvolles um, und alle schwe i gen darüber. Ich spüre es.“
„Ich glaube, da steckt etwas anderes dahinter. Es muss einfach eine plausible Erklärung für das alles geben.“
Sie klammerte sich an das Revers seiner Jacke. „Wie erklärst du dir dann das Ve r schwinden von den vielen Menschen in Gealach? Moira, ihr Begleiter, die Zwillingsmädchen im letzten Sommer oder das Touristenehepaar im vergang e nen Monat. Das sind zu viele.“
„Das mag sein, aber sie könnten einem Verbrechen zum Opfer g e fallen sein. Es gibt genügend Kriminelle, die sich ihre Opfer in einsamen Gegenden suchen. Das ist reeller als ein Fabelwesen.“
„Und wie erklärst du dir dann die Verwandlung von einem Wolf in einen Me n schen?“
Aidan zuckte mit den Schultern. „Halluzinationen? Visionen?“
„Hermit hat mir von Revenant erzählt.“
„Das sind doch nur Legenden eines alten Druiden.“
„Und wenn es ihnen damals doch gelungen war, das Tor zur Schatte n welt zu öffnen?“
„Druiden waren Gelehrte, und ich glaube nicht, dass sie diese Macht besessen haben. Die Schattenwelt ist fiktiv und entspringt rein der menschlichen Vorste l lungskraft.“ Er stockte. Vater hatte ihm von der Scha t tenwelt erzählt, von den dämonischen Gestalten, die dort lebten. Auch Hermit sprach oft davon. Nicht au s zudenken, wenn etwas an der Sache dran wäre. „Du glaubst doch nicht etwa, mein Vater besäße diese Macht?“
„Das weiß ich nicht, aber ich werde es herausfinden. In jeder L e gende steckt auch ein wahrer Kern, sagte mein Vater immer.“ Ambers en t schlossene Miene bekräftigte ihre Worte.
„Wie willst du das anstellen? Willst du vielleicht den Werwolf inte r viewen?“
„Ich weiß es noch nicht.“
„Du wirst doch nichts Unüberlegtes tun, Amber?“Er umfasste ihre Schultern und wartete auf eine Antwort.
„Nein, natürlich nicht. Hilfst du mir wenigstens, die Wahrheit herauszufi n den?“
„Natürlich.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
Amber lächelte ihn dankbar an. Dann zog
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