Mond der Unsterblichkeit
rann. Ihre Beine wu r den durch den feuchten, tiefen Boden schon nach kurzer Zeit schwer wie Blei. Doch die Todesangst drängte sie, weiter zu laufen. Einem Wunder gleich überquerten sie unbeschadet das Feld und e r reichten den Wald, der hinab zum Moor führte. Plötzlich stoppte sie. Kevin, der d a mit nicht gerechnet hatte, prallte hart gegen sie.
„Was ist? Wohin?“, stieß er keuchend hervor. Das Haar klebte schweißnass an seinem Kopf.
„Ich weiß nicht. Ist uns einer gefolgt?“
Amber presste die Hände in die schmerzenden Seiten und schnappte nach Luft. Erst jetzt wagte sie es, zurückzublicken. Kein Laut deutete auf einen Ve r folger hin. Entweder war ihnen niemand gefolgt, oder die Vampire waren für mensc h liche Ohren nicht hörbar und lauerten hinter irgendeinem Busch, um sich jeden Moment auf sie zu stürzen. Die Schreie waren verklungen. Es herrsc h te b e klemmende Stille.
„Ich höre nichts. Wohin gehen wir?“, wisperte Kevin.
„Dahin!“ Amber wählte eine unbestimmte Richtung. Sie wollte nur noch fort von diesem furchtbaren Ort.
„Und was ist da?“ In Kevins Stimme schwang Skepsis mit. Er rau f te sich die Haare und drehte sich im Kreis.
„Ich weiß es nicht.“
„Verdammt! Verdammt! Bitte Amber, lass uns überlegen, wo wir s i cher sind. Vielleicht im Moor?“
„Glaub mir, das Moor würde diese Kreaturen auch nicht abhalten. Wir müssen ins Schloss.“
Im gleichen Moment hörte sie hinter sich ein Geräusch. Sie fuhr z u sammen. Ihre Augen suchten zwischen den Bäumen nach einer Kontur, doch alles ve r schmolz mit der Dunkelheit zu einer schwa r zen Wand. Amber verwünschte die Tatsache, die Taschenlampe in der Panik am Steinkreis vergessen zu haben. So blind waren sie eine leichte Beute für die Verfolger.
Jede Sekunde könnte sich einer der Vampire auf sie stürzen. Sie lö s te sich von Kevin und drehte sich im Kreis. Ihr Herzschlag übertönte je g liches Geräusch. Nichts geschah. Sie konzentrierte sich wieder auf das Beschwören der Windgei s ter und flüsterte die Worte von vorhin noch einmal. Aber dieses Mal erfüllte sie das Gefühl, nichts zu bewirken. War sie doch einem faulen Zauber erlegen?
Wieder raschelte es, dichter als eben. Jemand näherte sich.
Von einem plötzlichen Lichtstrahl geblendet, schützte Amber ihre A u gen mit den Händen.
„Amber, sind Sie das?“
Erleichtert atmete sie auf. „Oh, Hermit, Sie wissen gar nicht, wie froh ich bin, dass Sie es sind. Könnten Sie vielleicht mit ihrer Lampe woanders hinleuchten?“
„Ja, ja, natürlich“, antwortete Hermit und richtete den Strahl auf den Boden.
„Danke.“ Doch es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen vom grellen Schein erholten. Hermit wandte sich um und ging ein paar Schri t te in Richtung des Stei n kreises.
Amber sprang an seine Seite und hielt ihn am Arm zurück. „Um Gottes Wi l len, Hermit, Sie dürfen nicht weitergehen! Macfarlane hat das Tor zur Schatte n welt g e öffnet.“
„Sind Sie sicher?“
„Wir haben gesehen, wie Vampire Macfarlane und seine Anhänger u m gebracht haben“, sagte Kevin heiser.
„Also doch.“ Hermit seufzte und fuhr mit der Hand übers Gesicht. „Ich spü r te die dunklen Kräfte, aber ich hoffte, es wäre nicht gesch e hen. Wo ist Aidan? Weiß er davon?“
„Nein, er ist in Edinburgh und kehrt erst morgen zurück.“
„Das ist gut. Wir sollten jetzt schnell verschwinden. Ich führe Sie. Hier lang!“
„Doch nicht ins Moor, Hermit! Wir müssen zum Schloss!“, rief A m ber.
„Dann führen Sie die Bestien dorthin.“
„Aber wir müssen nach Hause.“
„Wenn ich Sie zum Schloss bringe, kostet es uns alle das Leben. In wenigen Stunden wird es hell. Revenant und sein Gefolge we r den bis zum Morgengrauen ihren Blutdurst stillen. Draußen in der U m gebung gibt es genug Opfer. Morgen früh brechen wir dann zum Schloss auf.“
„Müssen wir wirklich durchs Moor?“, fragte Kevin.
„Nur ein kleines Stück. Dahinter liegt mein Haus, wo wir sicher sind. Kommen Sie, wir müssen uns beeilen.“
Amber hätte dem Alten mit den krummen Beinen diese Flinkheit nicht zuge t raut, mit der er den Pfad zum Moor hinunter rannte. Es bereitete ihnen Mühe, ihm zu folgen. Nach einer Weile erklang dicht hinter ihnen Wolfsgeheul, was ihre Schritte noch mehr beschleunigte. Sie stolperten über Baumwurzeln, und je mehr sie sich dem Moor näherten, desto tiefer versanken sie mit den Füßen im weichen Boden, was das Vorwärtskommen e r schwerte. Amber
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