Mond der verlorenen Seelen
hob er sie hoch und warf sie über die Schulter. Wo wollte er mit ihr hin? Vielleicht in den Folterturm? Sie schauderte.
Wider Erwarten brachte er sie zu seinem Motorrad und setzte sie darauf.
„Ich habe deine Arme nicht festgebunden, damit du dich festhalten kannst. Und keine Zicken. Das könnte dir schlecht bekommen.“
Amber litt unter der Maske an Platzangst und geriet in Panik. Sie atmete viel zu hastig. „Was hast du vor? Wo bringst du mich hin?“ Die Maske verschluckte ihre Worte.
Er setzte sich vor ihr auf den Sitz, startete den Motor und brauste davon. In ihrem Geist spielte Amber alle Varianten eines Absprungs vom Motorrad durch und gelangte zu keinem befriedigenden Ergebnis. Blind könnte sie keine geeignete Stelle finden. Bestenfalls käme sie selbst auf ebenem Boden bei dem Tempo mit ein paar Knochenbrüchen davon.
„Geister der Elemente, helft eurer Tochter“, flehte sie, während ihre Finger sich in Samuels Hüften krallten. Aber sie bekam keine Antwort, als würde die Maske sie hermetisch abriegeln, die selbst für ihre mentalen Kräfte undurchdringlich war. Kein Rucken, keine engen Kurven. Samuel raste mit dem Motorrad eine Straße entlang. Ihre Hoffnung, sich aus seinen Klauen zu befreien, schwand mit jedem Meter, den er zurücklegte. Feuchter Dreck spritzte zu ihr hoch und durchnässte ihre Jeans. Die Fahrt schien endlos.
Nachdem sie eine Anhöhe erklommen hatten, bremste Samuel. Waren sie beim Steinkreis? Aus der Ferne erklang die Melodie von Amazing Grace auf einem Dudelsack. Es war so grotesk, dass sie fast gelacht hätte. Während andere ausgelassen das Beltanefest feierten, sollte sie ihre Seele an die Schattenwelt verlieren.
Er schwang sich vom Motorrad und hob sie grob hinunter. Mit der Faust in ihrem Rücken bugsierte er sie in die gewünschte Richtung. Kies knirschte unter ihren Füßen. Sie hätte alles darum gegeben, zu wissen, wo sie sich befanden. Er umklammerte jetzt ihren Arm und zog sie mit sich. Amber dachte gar nicht daran, es ihm leicht zu machen und versuchte mit aller Kraft, sich dem Griff zu entwinden. Aber seine Hand umschloss eisern ihren Arm. Sie trat nach ihm und weil sie nichts sah, stolperte sie. Als sie hinfiel, lockerte sich sein Griff, und sie atmete erleichtert auf. Mit einem Ruck riss er ihr die Maske vom Kopf und packte sie an den Haaren, um sie hinter sich herzuschleifen. Amber schrie vor Schmerz auf und begann zu strampeln, doch das verschlimmerte alles nur noch. Tränen rannen ihre Wangen hinab, während ihre Hände gegen ihre Kopfhaut drückten, um den Schmerz einzudämmen. Der unebene, steinige Boden schlitzte Jacke und Sweatshirt auf. Steine schnitten sich in ihren Rücken wie scharfe Klingen.
„Samuel, bitte lass mich los“, flehte sie zwischen Schluchzern. Aber Samuel sah nicht einmal zurück, sondern zerrte sie unbarmherzig weiter.
Plötzlich stoppte er und ließ von ihr ab. Sie rollte sich auf die Seite und krümmte sich wimmernd auf dem Boden.
„Hör auf zu heulen. Wo sind deine Kräfte geblieben, Druidin?“ Er lachte schadenfroh auf. „Hast du geglaubt, Dämonen mit dem bisschen Feuerhokuspokus und Windgeflüster zu bezwingen? Da musst du schon schwerere Geschütze auffahren. Hat der Alte dir nicht genügend beigebracht?“
Amber zuckte unter seinem dröhnenden Lachen zusammen. Er hob sie hoch und trug sie zu einer fast quadratischen Felsplatte, auf die mit Kreide ein Drudenfuß gemalt war. Wo zur Hölle war sie hier? Alles kam ihr unbekannt vor. Über ihr wölbte sich der samtblaue Abendhimmel. Fackeln steckten auf der Kreislinie im Boden und warteten darauf, angezündet zu werden. Sie war zu erschöpft, um sich weiter zu wehren. Ihre Arme baumelten zu beiden Seiten des Druidenaltars hinab, nachdem er sie bäuchlings auf die Felsplatte gebettet hatte. Der raue Stein zerkratzte ihr Gesicht. Wenn sie Samuel doch nur noch einmal in die Augen sehen könnte, hätte sie vielleicht eine Chance, seine Gegenwehr zu stärken. Aber er mied strikt ihren Blick. Revenant wusste, dass sie Samuels Geist zu beeinflussen suchte. Er zwang sie, sich auf den Rücken zu legen.
Amber schrie erneut auf, weil der raue Untergrund sich in ihren zerschundenen Rücken drückte. Er lachte über ihre Schmerzen. Ihre Zähne schlugen vor Kälte und Furcht aufeinander. Transparente Schatten huschten lautlos an ihr vorbei. Dämonen! Sie waren wieder da und schirmten ihre mentalen Kräfte wie ein Schutzschild ab.
Sie fühlte ihren Puls am Hals, schnell wie ein
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