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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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Hermit zuckte zusammen und sog den Atem ein. In großen Zügen trank Aidan von dem dargebotenen Blut. Mit jedem Schluck spürte er, wie die Kraft in seinen Körper zurückkehrte und die Lähme wich. In seinen Fingerspitzen begann es zuerst, zu kribbeln. Er hörte das Herz des Alten schlagen, das mit fortschreitendem Trinken schwächer wurde. Hermit sackte rückwärts gegen den Türrahmen und stöhnte auf. Sein Arm zitterte, und sein Puls flackerte unruhig. Aber Aidans Durst war noch lange nicht gestillt. Du musst aufhören, wenn du den Alten nicht umbringen willst, mahnte ihn sein Gewissen. Wenn das nur nicht so schwer wäre, denn das Blut schmeckte köstlich.
    „Aidan, hör auf.“
    Obwohl Hermits Worte nur geflüstert waren, hallten sie immer lauter werdend in seinem Kopf. Es kostete ihn alle Beherrschung, sich von Hermits Arm loszureißen. Er sah an sich hinunter. Die Wunde im Bein begann, sich zu schließen und die Schürfwunden bluteten nicht mehr. Der Alte sackte in sich zusammen, sein Kopf schlug gegen den Türrahmen. Es erfüllte Aidan mit einem gewissen Stolz, seine Gier gezäumt zu haben. Die Lider des Alten flatterten. Leise stöhnte er. Seine rötliche Haut war nun kreidebleich, während seine Lipp en bläulich schimmerten. Aidan verspürte Dankbarkeit und auch Mitleid mit dem alten Druiden. Es hätte Hermit das Leben kosten können. Er stand auf, hob den Alten auf seine Arme und trug ihn ins Haus. Hoffentlich erholte Hermit sich von dem Blutverlust, denn es war nicht wenig gewesen, was er aus ihm gesaugt hatte. Sein schlechtes Gewissen meldete sich. Vorsichtig bettete er den Alten auf das Sofa, schob ein paar Kissen hinter seinen Rücken und unter den Kopf und tätschelte sanft seine Wange. Aus dem Badezimmer holte er ein Handtuch und wischte das Blut von Hermits Arm.
    „Danke“, sagte er und drückte die Hand des Eremiten. Doch das war nichts gegen die tiefe Dankbarkeit, die er empfand.
    Der Druide schlug die Augen auf. „Schon gut, ich lebe noch“, wisperte er und winkte ab. „Du musst jetzt Amber suchen, bevor ihr etwas zustößt.“
    „Aber ich kann dich doch nicht hier allein lassen.“
    Hermit lachte leise und begann zu husten. „Passt schon. Ich erhole mich schnell. Bin zwar ein alter Knacker, aber für das Alter ist meine Kondition noch ganz ordentlich.“ Es blitzte schelmisch in seinen Augen auf, was Aidan erleichtert zur Kenntnis nahm. „Was machst du noch hier? Sieh zu, dass du Amber findest, und kümmere dich nicht länger um mich.“ Hermits Augenbrauen zogen sich zusammen und verliehen ihm einen mürrischen Ausdruck.
    Aidan legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wenn sie glaubt, dass ich in der Schattenwelt bin, wird sie sicher nach Clava Cairn laufen. Heute ist Beltane. Ich spüre, wie nah die Welt ist. Ich werde nicht aufgeben, bis ich sie gefunden und vor Revenant gerettet habe.“ Selbst wenn es für mich das Ende bedeutet, fügte er in Gedanken hinzu.
    „Amber sprach von Dämonen. Vielleicht locken die sie in Revenants Auftrag an einen anderen Ort. Folge deinen Sinnen. Sei vorsichtig“, sagte Hermit, dem das Sprechen schwerfiel. „Sie werden sich schützend vor Revenant stellen. In ihnen liegt der Schlüssel zu seiner Rückkehr. Lass dich nicht von ihnen täuschen, sonst bist du verloren.“
    „Ich werde auf der Hut sein. Zuerst suche ich nach Cecilia. Die wird Augen machen, denn sie hat geglaubt, dass ich es nicht schaffe. Ich bin davon überzeugt, dass sie weiß, wo ich Amber finden kann und wie Revenant in diese Welt gekommen ist.“
    „Gut, gut. Ich muss mich jetzt ausruhen. Mehr kann ich nicht für dich tun. Rette sie, bevor sich das Tor zur Schattenwelt wieder schließt.“ Hermit lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Seine gleichmäßigen Atemzüge und der ruhige Herzschlag verrieten, dass er eingeschlafen war.
    Ungern ließ er den Alten zurück, aber seine Angst um Amber trieb ihn aus dem Haus. Er konnte nur hoffen, dass es noch nicht zu spät war.

-28-
    A mber stand am Fenster und sah zum Schlossplatz hinab. Im Sonnenuntergang schimmerte der Kies rotgolden. Das Vogelgezwitscher vermittelte den Anschein eines friedlichen Frühlingsabends. In ihrem Inneren sah es alles andere als friedlich aus. Was würde auf sie zukommen? Entpuppte sich Samuels Behauptung, in die Schattenwelt zu gelangen als Ente? Dennoch klammerte sie sich an diesen Hoffnungsschimmer. Um Aidans willen.
    Heute fürchtete sie sich vor der Dunkelheit mehr als je zuvor. In den vergangen

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