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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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Degen aus und hieb in seinen Arm. Blut spritzte ihm entgegen, und ein stechender Schmerz durchzuckte ihn.
    Warum zum Teufel verspürte ein Vampir noch Schmerzen?
    Aidan lachte freudlos aus. Der Geruch des frischen Blutes ließ seinen Magen erneut rebellieren. Hastig stülpte er seinen Mund auf die Wunde und leckte es ab. Aber es schmeckte fad, nicht so frisch und süß wie das einer sterblichen Kreatur. Dennoch weckte der Geschmack erneut die Gier in ihm. Er musste auf die Jagd, um die Wunde schnell verheilen zu lassen, die er sich zugefügt hatte. Aus dem Verbandskasten an der Wand entnahm er eine Binde und wickelte sie um den verletzten Unterarm, um etwaigen Fragen Ambers aus dem Weg zu gehen. Er durfte sich gar nicht vorstellen, wie sie auf seinen Ausbruch reagieren und welche Fragen sie stellen würde. Oft genug erkannte er in ihrem Blick Misstrauen und Furcht. In den vergangenen Tagen war ihm nicht entgangen, wie sie ihn heimlich und mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen beobachtete, als sei er ein Fremder. Diese Gewissheit schnitt ihm ins Herz. Aber er war sich ja selbst fremd geworden.
    „Oh, Amber.“
    Stöhnend lehnte er seine Stirn gegen den Spiegel. Sie vertraute ihm. Immer öfter fragte er sich, ob er dieses Vertrauens überhaupt wert war und kam zu dem Schluss, dass dem nicht so war. Was wusste sie schon von seinem brennenden Bedürfnis, ihr Blut zu trinken, wie viel Überwindung es ihn kostete, es sich nicht gewaltsam zu nehmen?
    Als sein Magen lauter knurrte, lief Aidan in den Flur und griff aus alter Gewohnheit nach der Jacke an der Garderobe, obwohl er weder Kälte noch Hitze spürte.
    Sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, schloss er die Augen und sog tief die Luft ein. Es roch nach feuchter Erde, verfaulten Pflanzen, und ein leichter Brandgeruch wehte herüber. Gerüche und Düfte nahm er jetzt intensiver wahr. Als Mensch waren ihm die meisten verborgen geblieben. Jede Kreatur besaß einen Eigengeruch, der je nach Stimmungslage variierte. Den intensivsten und verlockendsten Duft aller verströmte Amber. Er berauschte ihn wie eine Droge.
    Jetzt witterte er ein anderes Duftpotpourri, aus Pheromonen und Angstschweiß. Ein Sterblicher schwebte in Gefahr.
    „Verspürst du etwa Mitleid, Warrior?“
    Aidan wirbelte herum, als er Revenants spöttische Stimme hinter sich hörte, aber ihn nicht sah. Es machte ihn wahnsinnig, stets die Gegenwart des Vampirlords zu spüren, seine Stimme zu hören, ohne ihn zu sehen. Die Vorstellung, Revenant kontrolliere womöglich auch jeden seiner Gedanken, missfiel ihm.
    Wenn er bei den ersten Sonnenstrahlen in Starre, einen todesähnlichen Schlaf fiel, befahl der Vampirlord seinen Geist in die Schattenwelt. Aber Aidan wehrte sich mit aller Macht. Er klammerte sich an sein menschliches Dasein und wollte nicht zu Revenants Gefolge gehören. Nur wenn er genügend Blut trank, gelang es ihm, sich dem Ruf zu widersetzen. Doch jedes Mal fühlte er sich danach schlecht. Aidan zwang sich auch, Gefühle wie Mitleid und Liebe nicht zu vergessen, um zu beweisen, dass die dunkle Welt ihn noch nicht völlig beherrschte. Wie oft konnte er noch gegen die Bestie gewinnen?
    Aidan schüttelte den Kopf und ignorierte Revenants Stimme. Jemand benötigte seine Hilfe. Schon hetzte er los zum Gealacher Moor.
    Er brauchte sich sein Ziel nur vorzustellen, um wenig später dort zu sein. Das Translozieren gelang ihm von Mal zu Mal besser.
    Als er das Moor durchquert hatte, roch er den Schweißgeruch besonders intensiv. Er wehte von dem Viehunterstand herüber, einer Holzhütte am Rand der Wiese, hinter dem kleinen Wall aus der Zeit der Wikingerangriffe. Ein Wimmern drang zu ihm, dann folgte Gemurmel, das eine Ahnung in ihm aufsteigen ließ. Langsam und lautlos näherte Aidan sich dem aufgeschütteten Wall aus Feldsteinen.
    Der Anblick ließ ihn zornig knurren. Jeder Muskel seines Körpers war zum Zerreißen gespannt. Ein halbes Dutzend Frauen in altertümlichen Umhängen und Kutten sah auf eine junge Frau hinab, inmitten eines Pentagramms aus Kieselsteinen und Kerzen. Hexen! Dad hatte zwar früher davon erzählt, aber selbst hatte er sie nie gesehen und an eine erfundene Story geglaubt. Nun wurde er eines Besseren belehrt. Sie praktizierten ein Ritual, das an Dad und seine Anhänger erinnerte. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie es zelebrierten, und dass ein Mensch im Mittelpunkt des Geschehens lag, verhieß nichts Gutes.
    Schluss damit! Diese geheimen Treffen und Rituale mussten endlich ein

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