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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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seine Adern pulsieren. Von seinem Verlangen getrieben, kniete er sich neben das Opfer, das ihm mit weit aufgerissenen Augen und zitternd entgegensah. Die Frau riss an ihren Fesseln, als er seine Fangzähne entblößte. Tränen rannen über ihre Wangen. Aidan sog tief den Cocktail von Blut, Schweiß und Tränensalz ein. Alle Organe begannen, vor Hunger in seinem Inneren zu krampfen. Er beugte sich über die Wunde an ihrem Arm, bis seine Lippen sie berührten. Mit einem tiefen Knurren verbiss er sich in ihrem Fleisch.
    Mit jedem Schluck, den er saugte, lud sich sein Körper energetisch auf wie eine Batterie. Einer Schockwelle gleich rann es durch seine Adern. Er fühlte sich leicht, fast schwerelos, und in seinem Kopf entstanden verworrene Bilder wie im Drogenrausch. Allmählich schwand der Widerstand unter ihm. Er blickte auf die Frau, die starr und bleich unter ihm lag. Ihre grünen Augen ähnelten Ambers.
    Amber!
    Er stieß den Arm von sich und sprang auf. Ihre Fischaugen glotzten ihn an, trübe und kalt, dass es ihn fröstelte. Was hatte er getan? Mit dem Handrücken wischte er sich das Blut von Kinn und Lippen. Wie eine Bestie war er über sie hergefallen. Er hasste diese verfluchte Schwäche, die ihn jedes Mal beim Anblick von Blut überfiel. Zorn stieg in ihm auf, gegen sich selbst, gegen alles und jeden. Er brüllte wie ein Raubtier und begann einen Amoklauf gegen die Hexen.
    Die Kerzen und Steine, die das Pentagramm eingerahmt hatten, pfefferte er durch die Luft und hechtete den flüchtenden Hexen hinterher. Schon packte er sich eine, um sie in hohem Bogen durch die Luft gegen den Wall zu schleudern. Schreiend rannten die Frauen um ihr Leben. Nur die Anführerin fehlte. Er wandte sich um, doch dann brachte ihn ein stechender Schmerz in der Brust zu Fall. In seiner Wut wollte er sich aufrappeln, aber seine Muskeln gehorchten nicht mehr. Er war gelähmt bis in die Fingerspitzen. Selbst seine Zunge hing im Mund wie ein totes Stück Fleisch.
    Hilflos musste er zusehen, wie die Hexen ihm Beine und Arme fesselten. Aus seiner Brust, dicht unterhalb des Herzens, lugte ein silbriges Teil heraus, das wie ein überdimensionaler Rosendorn aussah. Gebannt verfolgte er jede Handbewegung der Frauen, um einzuschätzen, was sie mit ihm planten. In ihren Mienen lag ein Ausdruck von Befriedigung, was ihn rasend machte.
    „Leg dich nie mit Hexen an. Ein Gebot der Finsternis, das du besser beachtet hättest“, meldete sich Revenant zurück.
    Aidan knurrte als Antwort.
    „Man lernt nur aus seinen Fehlern.“ Revenants heiseres, kehliges Lachen folgte.
    Aidan kochte vor Zorn. Die Hexen schlangen ein weiteres Seil um seine Füße und schleiften ihn über den Boden. Steine ritzten seine Haut und hinterließen ein Brennen. Noch nie hatte er sich so gedemütigt gefühlt wie in diesem Moment. Sie zerrten ihn ein Stück über die Wiese bis zum Waldrand. Dort warf die Anführerin das Ende des Seils über den Ast einer Eiche, das die anderen ergriffen. Mit vereinten Kräften zogen sie Aidan empor, bis er kopfüber herabbaumelte.
    „Es wird Zeit für eine Lektion, Vampir“, raunte ihm die Anführerin ins Ohr.
    Sie zog ein Messer unter ihrer Kutte hervor und zerschnitt sein Sweatshirt über der Brust. Langsam glitt die Klinge über seine nackte Haut. Aidan zuckte zusammen, als die Hexe das Messer kurz danach in seinen Bauch hieb. Der Schmerz war überwältigend. Er wollte den Schmerz hinausbrüllen, stattdessen entrang sich nur ein Röcheln seiner Kehle. Wenn er sich befreien könnte, würde er diese Weiber allesamt umbringen.
    Da durchfuhr ihn ein weiterer Schmerz. Die Hexe rammte ihm das Messer in den Oberschenkel. Es knirschte, als sie mit der Spitze seinen Knochen streifte.
    „Spürst du den Schmerz der Sterblichkeit? Aber bei einem Vampir ist er vergänglich, und wenn die Wunden sich geschlossen haben, wirst du ihn ganz vergessen. Es ist Vampiren vom Schicksal bestimmt, ebenso Schmerzen zu spüren wie ihre Opfer.“ In ihren Augen blitzte Genugtuung auf. „Sammelt Holz. Wir wollen ihn ... ein wenig rösten.“
    Die anderen machten sich sofort daran, den Auftrag auszuführen. Aidan biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, um seinen Schmerz zu verbergen. Diesen Triumph gönnte er ihnen nicht auch noch.
    Es dauerte nicht lange, bis sich unter seinem Kopf ein Haufen Äste stapelte, aus dem die ersten Flammen züngelten. Er war den Hexen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, aber so schnell würde er nicht aufgeben. Es musste

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