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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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wurde zu beiden Seiten von Andenkenshops und zahlreichen Bekleidungsgeschäften eingerahmt, in denen man neben Kilts, typisch schottische Mitbringsel, sowie Sehenswürdigkeiten der Stadt en miniature erstehen konnte.
    In Old Town fühlte Amber sich in ein vergangenes Zeitalter zurückversetzt. Sie blieb stehen und sog den Anblick des mittelalterlichen Stadtbilds ein, das geprägt war von gotischer und romanischer Architektur. Zahlreiche spitzbogige Fenster und Türen und schnörkelige Verzierungen betonten die Leichtigkeit der Bauten. Die Altstadt war sehr belebt, die meisten waren Touristen, die die Kathedrale bestaunten und Fotos schossen.
    Amber schlenderte an den Giftshops vorbei und bestaunte die Auslagen der innovativen Souvenirs. Auf der anderen Seite der Kathedrale lag ein Antiquitätenladen, fast versteckt. Ein halbes Dutzend Stufen führten zum Eingang hinab. Eine gute Gelegenheit, Mom etwas Passendes für die Vitrine mitzubringen, vielleicht ein paar Lackfiguren. Nur preiswert musste es sein. Sie hatte gerade mal zehn Pfund in der Tasche. Wie verschwenderisch. Aber sie liebte es, in alten Sachen zu stöbern und wollte sich nur umsehen.
    Eine Glocke über der Tür empfing den Ladenbesucher mit ihrem Gebimmel. Antiquitätengeschäfte besaßen immer einen besonderen Geruch, nach altem Holz und vergilbtem Papier. In ihnen schien die Zeit stillzustehen, überall war die Vergangenheit gegenwärtig. Vasen und unzählige Sammeltassen standen sorgsam mit künstlichem Blumenschmuck dekoriert in Glasvitrinen. Ein hochglänzender Biedermeiersekretär bildete den Blickfang in einer Ecke gegenüber dem Eingang. Ein Mann mittleren Alters mit Hornbrille saß in einem modernen Ledersessel neben einer alten Vitrine, auf der eine alte Kasse stand. Mit dem grellbunten Hemd durchbrach er die nostalgische Stimmung. Sein bohrender Blick ging ihr durch und durch.
    „Guten Tag, wie kann ich helfen?“, fragte er mit schnarrender Stimme.
    Amber konnte nicht erkennen, ob er lächelte, weil ein dicker Schnauzbart seinen Mund verdeckte. „Ich wollte mich nur mal ein wenig umsehen, wenn Sie gestatten.“ Sie lächelte ihn freundlich an.
    Er verbeugte sich leicht und bedeutete ihr mit einer ausholenden Armbewegung, sich im Laden umzusehen.
    Mom liebte Tand, während Amber diese Dinge eher als Staubfänger betrachtete. Sie reckte ihren Hals, um die Figürchen näher zu betrachten, als ihr Blick auf einen goldenen Rahmen fiel, der sich im Glas der Vitrine spiegelte. Sie drehte sich um und betrachtete ausgiebig den mannshohen Spiegel. Sein Rahmen bestand aus Holz, aufwendig und naturgetreu gearbeitet, als handelte es sich tatsächlich um ineinander verschlungene, mit Gold überzogene Weidenruten. Die eingravierten Runen an den vier Ecken verliehen ihm etwas Mystisches. Amber starrte ihn bewundernd an. Jede Unebenheit der Natur war vom Künstler erfasst worden, jede noch so kleine Kerbe, wie man sie an den windgepeitschten Zweigen entdecken konnte. Solch einen Spiegel hatte sie noch nie gesehen. Das ideale Geschenk für Mom, aber leider unerschwinglich. Sie seufzte und wollte sich gerade wieder umdrehen, als sie die Stimme des Verkäufers dicht an ihrem Ohr hörte.
    „Ein Prachtstück, nicht wahr?“
    Amber fuhr zusammen. „Meine Güte haben Sie mich erschreckt.“
    „Entschuldigung, aber ich sah das Interesse in Ihrem Blick. Sehen Sie nur, diese Verarbeitung. Wie kunstvoll diese Verflechtung geschnitzt worden ist. Wirklich ein Glanzstück der Kunstfertigkeit, nicht wahr?“
    „Ja, das ist es“, bestätigte sie. „Wenn Sie sich dafür interessieren, könnte ich Ihnen gern eine Expertise aushändigen ...“
    „Danke, aber das ist nicht nötig, denn der ist für mich sicher unerschwinglich“, unterbrach sie und winkte ab.
    „Schade. Dabei kostet er nur dreitausend Pfund. Das ist nicht viel für einen Gegenstand aus dem 19. Jahrhundert.“
    Amber schluckte. Dreitausend Pfund? Mein Gott, was hätte sie sich dafür alles leisten können. Von solch einer Geldsumme konnte sie nur träumen.
    „Und dann steht der Spiegel hier?“
    Der Kerl schwindelte bestimmt, denn solch ein wertvolles Stück stand nicht in irgendeinem Antiquitätenladen rum, sondern befand sich im Besitz eines Sammlers oder gar eines Museums. Der Laden musste gut versichert sein.
    „Ja, und darauf bin ich stolz. Sie glauben mir nicht?“ Er trat einen Schritt auf den Spiegel zu und fuhr liebevoll mit seiner knochigen Hand über den Rahmen.
    „Sehen Sie, diese

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