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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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sich jetzt an ihn geschmiegt. Aber er würde es nicht merken.
    Eine Stunde später saßen Amber und Kevin in Aidans Rover auf dem Weg nach Edinburgh. Strahlender Sonnenschein, der einen Bilderbuchfrühlingstag versprach, begleitete sie. Kein Wetter für Dämonen.
    Ihre Gedanken kreisten um Dads Sachen, die Mom im Keller verstaut hatte. Dieser Abschied besaß etwas Endgültiges. Jemanden nicht mehr sehen, nicht mehr hören und mit ihm nicht mehr sprechen zu können, war grausam. Warum blieb nicht alles bis in alle Ewigkeit bestehen? Amber dachte an Gordon Macfarlanes Wunsch nach Unsterblichkeit. Zum ersten Mal konnte sie ihn verstehen.
    Aidan war unsterblich und würde nicht mehr altern, sie hingegen schon. Ihnen blieb nur eine kurze Zeit. Sie verdrängte die Vorstellung von einer Greisin, die in den Armen des attraktiven Vampirs starb.
    „Was passiert denn mit deinem Mini?“, unterbrach Kevin ihre Gedanken, wofür sie dankbar war.
    „Ich hab mit Joey telefoniert. Er will ihn abschleppen und den Reifen wechseln.“
    „Hm.“ Kevin drehte das Radio an, aus dem eine Ballade erklang, die Aidan früher gern gehört hatte. Als er noch ein Mensch war, fügte sie in Gedanken hinzu. Kurz, bevor sie losgefahren waren, hatte sie noch einmal nach ihm gesehen, aber er lag noch immer reglos im Bett. Wie sehr hätte sie sich über seine Begleitung gefreut. Das Glück, das zum Greifen nahe gewesen war, schwand mit jedem Tag. Amber schämte sich, dass sie sich nach einem sorgloseren Leben sehnte, einer unbeschwerten Liebe, einem Mann an ihrer Seite, mit dem sie alles teilen konnte. Doch wenn sie sich vorstellte, Aidan zu verlassen, um ein neues Leben zu beginnen, vielleicht eine neue Liebe zu finden, wurde ihr schwer ums Herz. Sie würde in jedem anderen nur ihn suchen.
    „Pass auf!“, rief Kevin und riss den Arm nach vorn.
    Erschrocken trat Amber mit aller Wucht auf die Bremse. Der Rover brach hinten kurz aus, bevor er mit quietschenden Reifen stoppte. Amber blinzelte. Erst jetzt nahm sie die Schafherde wahr, die die schmale Straße unterhalb des Hügels von Clava Cairn gemütlich passierte. Sie fuhr zusammen, als jemand neben ihr an die Scheibe pochte. Es war der Schäfer, dem sie manchmal in Gealach begegnet war. Seinen Namen kannte sie nicht, aber sein wettergegerbtes Gesicht hatte sie sich eingeprägt. Gutmütige Augen richteten sich auf sie, als sie die Scheibe herunterkurbelte.
    „Guten Morgen, Miss. Sind Sie nicht die junge Lady, die meinen alten Freund Ambrose oft besucht?“
    „Und Sie sind der Schäfer, der neulich in der Buchhandlung gewesen ist, stimmt’s?“
    „Right. Ich erinnere mich. Meine Schafe sind gleich alle rüber. Dann können Sie weiter. Wollen Sie nach Inverness?“
    „Nein, nach Edinburgh. Weshalb?“
    „An der Kreuzung müssen Sie links abbiegen.“
    Seine Stimme klang durch seinen Aufenthalt in der nassen Kälte kratzig. Sein grüner Anorak schimmerte feucht vom morgendlichen Tau. Bestimmt hatte er die Nacht draußen bei seinen Schafen verbracht. Schon bei dem Gedanken, im Freien bei den niedrigen Temperaturen zu übernachten, fröstelte sie.
    Links abbiegen bedeutete einen Umweg. „Wieso? Ist die Landstraße gesperrt?“
    Vor einer Woche hatte ein Unwetter viele Straßen unterspült, weshalb all die, die nach Norden führten, gesperrt worden waren. Von der Straße nach Edinburgh wusste sie allerdings nichts. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Die Wolken am Himmel türmten sich zu grauen Bergen auf und verdeckten die Sonne.
    „Scotland Yard hat alle Straßen rings um den Hügel sperren lassen. Ist schon furchtbar. Haben Sie noch nichts davon gehört?“ Er zog den Hut vom Kopf und kratzte sich am Haaransatz.
    Ihr Magen ballte sich zu einem Stein zusammen. Tausend Dinge schwirrten ihr durch den Kopf. Das Blutbad von Clava Cairn, die Verschwundenen ...
    „Nein. Was ist passiert?“
    „Oben am Steinkreis hat man heute eine Leiche gefunden. Eine junge Frau, ziemlich übel zugerichtet.“
    Amber wurde flau. „Jemand aus Gealach?“
    Er zuckte mit den Achseln. „Weiß man noch nicht. Muss ne Obduktion klären.“
    „Das ist ja schrecklich.“ Sie unterdrückte mit Mühe den aufsteigenden Würgereiz, der sie immer bei Hiobsbotschaften überfiel, die Gealach betrafen.
    „War es ein Unfall oder Mord?“, wandte ihr Bruder sich an den Schäfer.
    „Keine Ahnung, ich weiß nur, dort oben beim Steinkreis geht’s nicht mit rechten Dingen zu. Ich geh nicht mehr mit meinen Schafen da rauf, seitdem

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