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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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eins gerissen wurde. Mach immer nen großen Bogen. Auch wenn alle glauben, Schafe sind dumm, ich sage, die spüren das Böse besser dort oben als wir.“ Die letzten Worte hatte er geflüstert.
    „Wissen Sie, wovon Ihr Schaf gerissen wurde? Einem streunenden Hund vielleicht?“ Ambers Kehle schnürte sich zu. Oder etwa von Aidan? Nein, sie verbot sich diesen Gedanken. Aber er ernährt sich von Blut, meldete sich die argwöhnische Stimme in ihr zurück.
    Der Schäfer schüttelte den Kopf. „Ein Hund könnte niemals den Beckenknochen eines Schafes mit einem Biss teilen. Muss was Größeres gewesen sein.“
    Amber vermochte nicht zu sagen, ob Vampire dazu in der Lage waren, aber hielt es für möglich.
    Er blickte mit ernster Miene in den Wagen, während seine Hände auf der versenkten Scheibe ruhten. Amber, die sich eine Haarsträhne aus der Stirn schob, berührte ihn flüchtig. Für den Bruchteil einer Sekunde spulten Bilder vor ihren Augen ab, wirr und bruchstückhaft. Sie erkannte rot glühende Augen in der Nacht, die Silhouette eines Wolfes und Samuel, auf dessen Miene sich Entsetzen widerspiegelte. Ehe sie wieder ausgeatmet hatte, verflogen die Bilder. Was sie gesehen hatte, gehörte zur Erinnerung des Schäfers.
    „Wenn’s kein Hund war, was soll es denn dann gewesen sein? Hier leben doch keine Raubtiere.“ Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Nur wenn Vampire und Werwölfe nicht zu Raubtieren zählten, ergänzte sie in Gedanken.
    „Ein riesiger Wolf, ein ...“ Er ließ den Satz in der Luft hängen, als fehle ihm die Beschreibung.
    „Werwolf?“, ergänzte Kevin.
    Der Schäfer legte einen Finger auf die Lippen. „Sag das nicht so laut, mein Junge, sonst halten dich alle für verrückt. So wie mich. Jemand wie ich ist oft in der Nacht draußen. Da kriegt man so einiges mit. Und ich weiß, was ich gesehen und gehört habe.“
    Amber schwieg, sie konnte keinen Ton rausbringen. Aidan hatte ihr versichert, dass Sally von dem Dämon getötet worden war, und es keine anderen Werwölfe in dieser Gegend gab.
    „Haben Sie schon mal einen Werwolf gesehen?“ Amber spürte Kevins Neugier, die feinen Vibrationen, die von ihm ausgingen.
    „Vor langer Zeit. Als der alte Macfarlane und ich noch junge Burschen waren. Da haben ein paar Männer einen Wolf gefangen und getötet. Blutunterlaufene Augen, Zähne so groß wie Dolche und lange Krallen.“ Mit einer Fingerspanne deutete er ihnen die beeindruckende Größe an. „Hat Schafe und Rinder gerissen. Eine Bestie. Die Leute im Ort wollten ihn in den Zoo bringen. Viel zu gefährlich. Der hat zwei Männer angefallen und schwer verletzt. Die mussten ihn töten. Ich habe gesehen, wie er sich verwandelt hat. Passen Sie auf sich auf. Man weiß nie, ob sich nicht wieder solch eine Bestie hier rumtreibt.“
    Amber erinnerte sich an Aidans Abträume aus der Kindheit, in denen auch ein Werwolf die Hauptrolle gespielt hatte. Sie verfluchte Gordon Macfarlane, der mit seinem Druidenclan an allem die Schuld trug.
    „Ja, danke, wir passen auf uns auf.“ Amber rang sich ein Lächeln ab.
    „Und erzählen Sie niemandem von dem, was ich Ihnen gesagt habe. Sonst sperren die mich noch in eine Klapsmühle.“ Er lächelte schief und richtete sich auf. Das Lächeln erinnerte sie an jemanden. Er hob die Hand zum Gruß. „Grüßen Sie Hermit von mir, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen.“
    „Mach ich. Wir müssen jetzt weiter. Einen schönen Tag noch, Mr. ...?“
    „Duncan, John Duncan.“
    Das Lächeln, die Erinnerung. Natürlich. Jetzt wusste sie es einzuordnen. „Sie sind der Vater von Samuel Duncan?“
    Der Schäfer erstarrte und seine Miene verdüsterte sich. „Ich habe keinen Sohn“, antwortete er, vergrub die Hände tief in den Taschen und drehte sich um.
    Sein plötzlicher Stimmungswechsel verschlug ihr die Sprache. Seine Erinnerungen logen nicht. „Aber, ich dachte, Mr. Duncan, diese Ähnlichkeit ...“
    Er stoppte, wandte sich aber nicht um. „Ich sagte doch schon, ich habe keinen Sohn.“
    Amber war über das Verhalten des Schäfers bestürzt, es rief die Erinnerung an Gordon Macfarlane in ihr wach, der seinem Sohn ebenso ablehnend gegenübergestanden hatte. John Duncan hob den Arm und pfiff durch die Zähne. Daraufhin tauchte ein Border Collie schwanzwedelnd aus der Schafherde auf, um die Tiere zusammenzutreiben. Auf einen weiteren Kommandopfiff hin stob der Hütehund an Duncan vorbei und trieb die Wollknäuel kläffend den Hügel hinab. John Duncan marschierte ohne Eile

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