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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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roch es muffig nach altem Teppich. Irgendwo klapperte Geschirr auf einem Servierwagen und das Ticken eines Generators war zu hören. Amber drückte den Rücken durch, um den Anschein von Selbstbewusstsein zu erwecken. Sie zuckte zusammen, als sich eine Metalltür neben ihr öffnete und ein bekanntes Gesicht um die Ecke schielte.
    „Cecilia?“
    „Hallo, Amber. Wie schön, dich hier zu sehen.“ Cecilias Begrüßung war überschwänglich, ihr Lächeln aufgesetzt.
    „Was machst du denn hier?“ Ob Hermit davon wusste? Die Miene der Hexe blieb freundlich wie immer, als wäre das Lächeln in ihr Gesicht operiert worden.
    „Ach, weißt du, ich brauche Geld und verdiene mir hier etwas als Putzfrau. Zum Glück kann ich es mit meinen Terminen bei Hermit vereinbaren.“
    In Cecilias Augen lag ein gehetzter Ausdruck und Amber spürte ihre Furcht. Die Hexe wollte hinter der Tür wieder verschwinden, aber Amber hielt die Klinke fest.
    „Weißt du, wo ich Silas Munro finde?“
    Cecilias Mundwinkel zogen sich nach unten. Anscheinend empfand auch sie wenig Sympathie für den Intendanten. „Den Gang runter und dann rechts durch die Stahltür.“ Mit einem Ruck zog sie die Tür zu.
    „Danke, Cecilia“, antwortete Amber betont freundlich, in der Annahme, die Hexe möge ihre Worte hinter der Tür noch hören. Sie konnte nicht verstehen, weshalb Hermit ausgerechnet sie um Hilfe im Haushalt gebeten hatte. Bestimmt hatte sie ihn lange genug bequatscht.
    Amber lief den Gang entlang, bis sie vor einer dunklen, zweiflügeligen Stahltür stehen blieb, auf die jemand das Wort ,Stage’ mit weißer Farbe gemalt hatte. Sie erinnerte sich an Beths Worte: „Lass dich bloß nicht von Munro einschüchtern, sonst hast du schlechte Karten. Der genießt es, andere fertigzumachen“. Amber war nicht gewillt, sich unterkriegen zu lassen und atmete tief durch, bevor sie die Klinke hinunterdrückte. Die Tür führte direkt auf die Bühne, auf der eine junge Frau mit hochrotem Kopf stand und sich zu ihr umwandte. Ein Mann mittleren Alters, der in der ersten Reihe der leeren Zuschauerplätze saß, fixierte Amber feindselig.
    „Wer zum Teufel sind Sie? Wie kommen Sie dazu, hier einfach reinzuplatzen?“
    Dem Tonfall und Beths Beschreibungen zufolge konnte es sich nur um Munro handeln. Mit eingezogenem Kopf huschte die junge Frau von der Bühne, als gälten die barschen Worte ihr. Amber bemühte sich, freundlich zu bleiben und lächelte ihn an.
    „Mr. Munro, mein Name ist Amber Stern. Von Beth Gardener weiß ich, dass Sie noch eine Schauspielerin suchen. Ich wollte mich Ihnen gern vorstellen. Möchten Sie ...“
    „Gar nichts möchte ich. Freundinnen von der Gardener sind hier nicht willkommen. Gehen Sie.“
    Amber konnte ihm nicht verdenken, dass er auf Beth sauer war, weil sie einfach ohne ein Wort der Erklärung verschwunden war. „Bitte hören Sie mich doch wenigstens an.“
    Munro winkte ab.
    „Ich lasse mich nicht so einfach abweisen, Mr. Munro, und schon gar nicht, nur, weil ich Beth kenne. Ich habe an der Westhighland Schauspiel studiert und mit sehr gut abgeschlossen. Außerdem besitze ich bereits Bühnenerfahrung. Ich habe die Rolle der Emilia Galotti in einem kleinen Theater in London gespielt, die Julia aus Shakespeares Romeo und Julia, die Paula aus ...“
    Munro musterte sie von oben bis unten, als stünde sie bei einer Auktion zur Versteigerung.
    „Genug. Es interessiert mich einen Dreck, welche Rollen sie gespielt haben. Zeigen Sie lieber, was Sie draufhaben.“ Ungeduldig winkte er sie auf die Bühne.
    Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Bühne betrat. Sie räusperte sich. Jetzt bloß nichts verpatzen. „Was wollen Sie hören? Vielleicht eine Passage aus Cleopatra? Oder die letzten Sätze der Julia?“
    „Ist mir egal, Hauptsache, Sie fangen endlich an, meine Zeit ist knapp.“
    Als sie die ersten Worte ihrer Lieblingsrolle Paula sprach, vergaß sie Munro. Sie dachte nur an Aidan, und es schien, als säße er wie damals im Zuschauerraum und hörte ihr zu. Der Text sprudelte nur so aus ihr heraus. Jetzt war sie wieder die Paula, deren Schicksal auf eine Art und Weise mit dem ihren verknüpft war. Bei den letzten Worten traten Tränen in ihre Augen. Sie fühlte mit Paula, deren Geliebter in den Krieg zog.
    Sie zuckte zusammen, als jemand Beifall klatschte. Sie sah zu Munro, aber der klatschte nicht, sondern starrte sie aus halb geöffneten Augen an.
    Sie fröstelte, als ein Schwall kalter Luft sie einhüllte. Ambers

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