Mond der verlorenen Seelen
Mal nicht tue? Ich habe dir wehgetan, dich verletzt. Was ist, wenn ich dich bis zum letzten Tropfen aussauge oder in meiner Gier deine Kehle zerfetze? Wir dürfen uns nicht mehr lieben.“
Seine Worte trafen sie wie Messerstiche ins Herz.
Sie suchte nach Widerworten, aber ihre Stimme versagte.
Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. „Ich bin eine Gefahr für dich. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“
Amber glaubte, eine eiskalte Hand schließe sich um ihr Herz. Er wollte sie verlassen. Sie könnte es nicht ertragen, Aidan zu verlieren.
„Dann mache mich zu einer Vampirin!“
„Niemals! Dieses Dasein ist die Hölle.“ Schon stand er wieder vor ihr und schüttelte sie an den Schultern. „Das werde ich niemals zulassen. Du kannst alles von mir verlangen, aber ich werde dich niemals zu einer Vampirin machen.“
Sein Blick bohrte sich in den ihren. Die wilde Entschlossenheit erschreckte sie. Amber fühlte sich mit einem Mal leer und taub. Das eben noch empfundene Glück zersplitterte wie Glas. Schweigend erwiderte sie seinen Blick und fühlte seinen Schmerz, der wie eine Woge zu ihr herüberschwappte. Adan ließ sie los, schnappte seine Kleidung und zog sich an. Wie betäubt beobachtete Amber jede Bewegung. Sie wusste nur, dass sie ihn trotz allem liebte, mehr als je zuvor.
Als er nach der Türklinke griff, fiel sie aus der Starre.
„Komm wieder“, flehte sie mit tränenerstickter Stimme. Er mied ihren Blick. „Aidan, ich bitte dich, komm zu mir zurück.“
„Wenn der Tag anbricht.“
Ehe sie ihm antworten konnte, war er verschwunden. Sie atmete erleichtert auf, weil sie wusste, dass er sein Wort nicht brach. Dennoch erfüllten sie Leere und Hoffnungslosigkeit. Sie ahnte, dass er seine Entscheidung, zu gehen, nur für heute aufgeschoben hatte. Wie naiv war sie, zu glauben, für sie und Aidan gäbe es wegen ihrer Liebe eine gemeinsame Zukunft. Die Zweifel wuchsen täglich, denn nichts konnte ihre Welten miteinander verbinden. Er war ein Vampir, ein Wesen der Nacht, was nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Sie warf sich in die Kissen und zum ersten Mal nach langer Zeit weinte sie hemmungslos.
Amber weinte, bis sie erschöpft einschlief. Aber es war ein seltsamer Schlaf, wie ein Wachkoma. Während ihr Körper ruhig und entspannt lag, fand ihr Geist keine Ruhe. Sie konnte die bleiernen Lider nicht öffnen, obwohl sie hellwach war. Immer wieder erlebte sie Aidans Biss.
Hilf mir.
Es war nur ein Flüstern, dennoch erschien es wie ein verzweifelter Schrei. Sie wollte die Augen öffnen, sich aufsetzen, aber ihr Körper gehorchte nicht.
Hilf mir, Amber, Tochter der Elemente.
Ambers Geist war in ihrem Körper gefangen und wollte sich daraus befreien. Es war ein leichtes Gefühl, als ihr Geist seine Hülle endlich verließ und in die Nacht entschwebte. Obwohl sie keine Augen besaß, erkannte sie doch die Landschaft um sie herum. Sie fühlte sich den anderen Geistwesen nah und hörte ihre lockenden Stimmen, denen sie folgte. Plötzlich sah sie Sally unter sich, die noch immer am Boden lag, ein dunkler Schatten über ihr. Amber fühlte ihre Angst und die zornige Kälte des Schattens, der jetzt in Sallys Körper eintauchte und ihr schlagendes Herz herausholte.
-18-
A mber schrak auf, als Aidan zurückkehrte und sich neben ihr ins Bett legte. Sie sah zum Fenster und erkannte einen hellen Streifen am Horizont, der die aufgehende Sonne ankündigte. Er fiel augenblicklich in den todesähnlichen Schlaf, der ihn zu einer wächsernen Puppe machte. Ein Anblick, an den sie sich nur schwer gewöhnen konnte. Manchmal befürchtete sie, er könnte nicht mehr aufwachen.
Plötzlich sah sie Samuel vor sich, der so voller Tatendrang und Leben war. Amber drehte sich auf die Seite und konnte nicht mehr einschlafen. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere und grübelte darüber, wie anders ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie Aidan nie kennengelernt hätte.
Als der Morgen sich in goldenem Licht über Gealach ergoss, hielt sie nichts mehr im Bett. Eine Weile betrachtete sie Adan im Schlaf. Ihn und Revenant verband nicht nur das Blut in ihren Adern, sondern sie waren finstere Geschöpfe der Schattenwelt. Aber so friedlich, wie er jetzt im Bett lag, besaß der Anblick den Anschein von Zerbrechlichkeit. Sie strich zärtlich über seine kalte Wange. Dann küsste sie ihn auf den Mund. Nicht einmal ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Seufzend riss sie sich von ihm los und schlurfte ins Bad. Wie gerne hätte sie
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