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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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weiter und drehte sich nicht mehr um.
    „Lass uns endlich weiterfahren“, drängelte Kevin.
    Noch immer in ihren Gedanken gefangen, trat Amber das Gaspedal so kräftig durch, dass der Motor wie ein gepeinigtes Tier aufjaulte.
    „Ey, bin ich froh, wenn ich bald fahren darf. Du marterst jeden Wagen.“
    Amber warf ihrem Bruder einen vernichtenden Blick zu, bevor sie anfuhr. Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Kurz darauf gelangten sie an die Kreuzung. Ein verwittertes Holzschild mit der Aufschrift „Clava Cairn“ wies nach rechts. Davor stand ein Absperrgitter, und zu beiden Seiten davor zwei Polizisten, die sie mit der Kelle aufforderten, die andere Abzweigung zu nehmen.
    Am liebsten wäre sie zum Steinkreis hinauf gelaufen, um zu sehen, was geschehen war, und um mehr über den Tod der Frau zu erfahren. Gib doch zu, dass du nach Indizien suchst, die Aidan freisprechen, weil du an seiner Unschuld zweifelst, meldete sich ihre innere Stimme.
    Sie konnte und wollte nicht daran glauben, dass er einen Menschen im Blutrausch getötet hatte. Und was war mit Sally? Da hatte er sie verteidigt. Du belügst dich selbst, Amber Stern.
    „Ich wäre gern da hochgelaufen“, sagte Kevin leise, während er zur Absperrung zurückblickte.
    „Ja, ich auch“
    „Und wenn dieser Duncan recht hat, und es doch ein Werwolf gewesen ist? Vielleicht Rana? Oder einer von den Dämonen, die dich angegriffen haben?“
    „Was nutzt es, zu spekulieren? Sally ist tot. Wir werden sicher morgen mehr darüber in der Zeitung lesen.“
    Ihr Bruder gab sich mit ihrer Antwort zufrieden, jedenfalls löcherte er sie nicht mehr. Aber er hatte ihre Gedanken wieder in eine neue Richtung geschubst. Amber grübelte über der Frage, wer die Dämonen in ihre Welt beschworen hatte, kam aber zu keinem Ergebnis. Sie traute Cecilia nicht genug Wissen zu, eine Dämonenbeschwörung durchzuziehen, und jemand anders kam nicht infrage. Sallys Worte klangen in ihr nach, als sie Amber für das Erscheinen der Dämonen verantwortlich machte. Das war doch absurd. Oder war vielleicht ihr Ausflug in die Dämonenwelt schuld daran?
    Erst als sie Gealach und seine Umgebung verlassen hatten und auf die Hauptstraße nach Edinburgh bogen, fühlte Amber sich befreiter. Wenn es Aidan nicht gäbe, wäre sie nicht mehr zurückgekehrt, sondern nach London gezogen, wo die Jobaussichten einfach besser waren.
    „Wo soll ich dich in der Stadt absetzen, Kevin?“
    „Am besten vor dem Balmoral.“
    „Okay.“
    Amber liebte das traditionsreiche Hotel mit dem gediegenen Ambiente, das direkt an der Princes Street lag und einen grandiosen Blick auf das Schloss bot. Sie hatte dort mit Beth einmal den Fünfuhrtee genießen dürfen. An der Seite der humorvollen Freundin hatte sie sich so unbeschwert wie lange nicht gefühlt. Es war wie damals in London, als sie mit Shannon bummeln gegangen war. Die damaligen Shoppingtouren hatten ihr über den Trennungsschmerz von Charles hinweggeholfen.
    Auf Edinburghs Hauptstraße herrschte bereits am Vormittag reges Treiben. Die erste Frühjahrskollektion leuchtete pastellfarben in den Schaufenstern. Die Sonnenstrahlen lockten die Wintermüden aus ihren Häusern. Amber verspürte große Lust, sich ihnen anzuschließen. Von Laden zu Laden schlendern und ungestört die Auslagen begutachten. Ein kleiner Wermutstropfen war, dass sie nur wenig Geld besaß, das keine großen Sprünge zuließ.
    Zuerst wollte sie zum Theater fahren, um sich für den Job zu bewerben und auch, um nach Beth zu fragen. Kevin setzte sie wie verabredet vor dem Hotel ab. Er verschwand in der Menge der Touristen, die Edinburgh erkundeten.
    Niemand würde bei dem bunten Treiben nachts Dämonen in der Stadt
    vermuten. Und doch gab es sie.
    Wenig später parkte sie den Wagen vor dem kleinen Theater. Sie zog den Zettel aus der Tasche, den Beth ihr vor einer Woche mit den Worten „Falls du es selbst versuchen willst“ in die Hand gedrückt hatte. Beths steile Handschrift gab den Namen des Intendanten preis: Silas Munro. Von ihr wusste Amber, dass der ein Choleriker war, der gern einmal mit einem Gegenstand warf, wenn er mit der Schauspieldarbietung unzufrieden war. Wenn sie den Job nur nicht so dringend brauchen würde. Beth fehlte ihr. Sie an ihrer Seite zu haben, hätte ihr die Bewerbung erleichtert.
    Amber atmete tief durch und ging zum Bühneneingang, drückte die Klinke hinunter und trat ein. In dem karg beleuchteten Flur, der mehr mit einer Garage als mit einem Theater gemeinsam hatte,

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