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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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letzten Schluck leer saugt.
    Eine Respekt einflößende Felsplatte verschloss den Grabeingang. Er wusste aus alten Überlieferungen und von seinem Dad, dass Gräber dieser Art nur einen einzigen Ausgang besaßen.
    Aidan stemmte mit aller Gewalt seinen Rücken gegen den Felsen. Aber dieser ließ sich nicht einen Zentimeter verrücken, gleichgültig, wie sehr er sich ins Zeug legte. Fluchend hockte er sich auf den Boden neben ein Schwert, das einst dem Fürsten als Grabbeigabe mitgegeben wurde und strich über das von Patina überzogene Metall. Er wollte und konnte nicht aufgeben.
    Ein leichter Windzug streifte ihn. Dad hatte ihm als Kind erklärt, dass manche Gräber einen Luftschacht nach oben besaßen, durch die die Seele der Verstorbenen den Göttern entgegenfliegen sollte. Ähnlich wie im alten Ägypten. Auch hier musste eine existieren. Sicherlich war sie von Erde und Moos bedeckt. Aidan witterte den würzigen Geruch von Moos und Farn. Sein Blick suchte die Decke ab und entdeckte tatsächlich eine schmale Öffnung, vielleicht eine Handbreit, durch die Gras wuchs. Er sprang hinauf, seine Hand stieß durch die Öffnung, aber Halt fand er keinen an dem feuchten Gras. Er überlegte, bevor er sich die Ketten und das Schwert griff. Geschickt wickelte er die längste Kette um das Schwert, sprang auf den Wagen und warf es gezielt mit der Kette durch die Öffnung. Sein Plan ging auf, das Schwert legte sich quer darüber. Jetzt brauchte er nur noch an der Kette hinaufzuklettern und sich durch das Loch zu zwängen. Aidan hoffte, dass es nicht zu schmal für ihn war, aber seine Zweifel bestätigten sich nicht, als er an der Kette das Schwert erreichte, das bedenklich auf dem Gras verrutschte. Rechtzeitig fand seine Hand Halt, und er zog sich durch die Öffnung empor.
    Draußen begrüßte ihn ein samtblauer Sternenhimmel. Die Hexen waren hier gewesen, er witterte den Weihrauch, der an ihnen haftete. Doch sie waren von dem Dämon begleitet worden, dessen Gegenwart er schon einige Male im Glen gespürt hatte. Die Vorstellung, der Dämon könnte Amber in seine Gewalt bringen, weckte Entsetzen in ihm. Er musste sofort nach Gealach Castle, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Noch ehe er den Gedanken beendet hatte, stand er auf dem Kiesweg vor dem Schlosspark und reckte seine Nase in den Wind. Amber! Sie war erst kürzlich hier gewesen, ihr vertrauter Geruch hing noch in der Luft. In seinem Zimmer im ersten Stockwerk brannte Licht. Er sah ihre Silhouette am Fenster. Erleichtert atmete er auf. Es ging ihr gut. Kaum konnte er es erwarten, sie in die Arme zu reißen und ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken. Mit Argusaugen würde er über sie wachen und mit aller Kraft vor dem Dämon schützen.
    Schon drückte seine Hand die Klinke hinunter, und er verschwand hinter der Tür. Zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete er die ausladende Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Er wollte das Leuchten in ihren Augen sehen, wenn er zurückkehrte. Doch dann fiel ihm ein, dass er ihr in der blutbefleckten Kleidung nicht gegenübertreten konnte. In Dads Ankleidezimmer hingen noch ein paar Kleidungsstücke von ihm im Schrank. Von Amber unbemerkt, wechselte er die Kleidung und wusch sich das Blut von den Armen.
    Amber stand vor ihrem Koffer und packte, als Aidan durch die Tür trat. Als sie sich umdrehte, erstarb sein Lächeln, denn sie sah ihm nicht wie gewohnt liebevoll entgegen, sondern kalt und abweisend. In seinem Inneren krampfte sich alles zusammen.
    „Amber ...“, sagte er leise und legte ihr den Finger unters Kinn, um sie zu küssen, doch sie wich zurück. Ihre Zurückweisung schmerzte ihn sehr.
    „Wo bist du gewesen?“ Alles an ihrer Haltung drückte Abwehr aus.
    „Ich bin in einem Grab aufgewacht.“ Seine Antwort bewirkte, dass sie sich noch mehr versteifte, und er seine Worte bereute. Aber Amber hatte ein Recht auf die Wahrheit.
    „Bevor du sie getötet hast oder danach?“
    Jedes Wort traf ihn wie ein Peitschenhieb. Seltsamerweise fühlte er sich tatsächlich schuldig, obwohl er sich nicht erinnern konnte.
    „Was zum Teufel meinst du?“ Forschend blickte er ihr ins Gesicht und erkannte eine gewisse Unsicherheit, die sie hinter der kühlen Miene zu verbergen versuchte.
    Sie wandte sich um und klappte den Koffer zu. Mit einem Ratschen schloss sie den Reißverschluss. Als sie sich ihm zuwandte, war ihr Blick voller Abscheu.
    „Es hat keinen Zweck, zu leugnen. Ich weiß es. Du hast Beth getötet, ihr das Blut ausgesaugt und sie

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