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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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verschwunden.
    „Tante Georgia, hast du Samuel irgendwo gesehen? Ist er schon länger fort?“
    Die Tante zuckte mit den Schultern. „Habe ich nicht mitgekriegt.“ Dann galt ihre ganze Sorge wieder Kevin. „Der arme Junge.“ Sie schlug die Hände in einer theatralischen Geste zusammen. „Was hatte er da oben bloß zu suchen? Meinem Sohn hätte ich das Herumtreiben im Dunkeln verboten.“
    Sie hatte gut reden. Ihr Sohn Matthew war der verwöhnteste Kerl auf Gottes Erdboden, noch dazu arrogant.
    „Komm, lass uns zum Krankenhaus fahren.“

-21-
    A idan spürte jeden einzelnen Knochen im Leib, als er erwachte. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass ihm jemand etwas ins Gesicht gestreut hatte. Dann war er in Dunkelheit versunken.
    Jetzt fühlte er sich wie aus einem Koma erwacht. In seinem Schädel brummte es wie im Bienenkorb. Mühsam klappte er seine geschwollenen Lider auf und blinzelte in die Dunkelheit. Wo zur Hölle befand er sich? Und wie war er hierher gekommen? Er lag auf dem Rücken, Arm- und Fußgelenke angekettet. Ein muffiger Geruch nach verrottetem Holz und Feuchtigkeit drang ihm in die Nase. Winzige Staubpartikel flirrten in der Luft, kein einziger Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit.
    Diese Ketten sollten seiner Kraft standhalten? Lächerlich. Er biss die Zähne zusammen und zog, bis seine Muskeln kontrahierten und die Adern aus seinen Armen traten, aber die Eisenketten hielten stand. Auch ein weiterer Befreiungsversuch scheiterte. Seine Wut steigerte sich mit jedem Atemzug. Er biss die Zähne zusammen und zerrte noch einmal mit aller Gewalt. Seine Muskeln spannten sich, während er die Luft aus seinen Lungen presste. Doch wieder musste er kapitulieren, und das machte ihn stinksauer.
    Mit einem Gebrüll, das von den steinernen Wänden widerhallte, riss er mit einem Ruck gleichzeitig an allen Ketten und sprengte sie schließlich.
    Er schnaubte und knurrte, denn er kochte noch immer vor Wut. Wenn er den in die Finger bekäme, der ihn angekettet hatte, dann gnade ihm Gott. Mit geballten Fäusten sprang er auf. Jeans und T-Shirt klebten blutdurchtränkt an seinem Körper, als hätte er jemanden geschlachtet. Als er sich betrachtete, wandelte sich die Wut in Entsetzen, bei dem Gedanken, er könnte im Rausch ein Blutbad verursacht und Menschen getötet haben. Aidan stöhnte auf. Wenn er sich doch nur erinnern könnte, aber es wollte nicht gelingen, kein Bild, nichts, selbst das Blut an seinem Körper ließ die Erinnerungen nicht aufleben, als wäre er einer Gehirnwäsche unterzogen worden.
    Auf dem Wagen im Grab eines Keltenfürsten war er angekettet worden. Aidan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. So etwas war ihm nur einmal geschehen, als er betrunken nach seiner Studienabschlussfeier von seinen Kommilitonen auf einen Güllewagen gehievt worden war. Er massierte seine Schläfen, bis sich der Nebel in seinem Kopf langsam lichtete. Dann rieb er an den Druckstellen seiner Handgelenke. Wie lange mochte er hier wohl gelegen haben? Als Vampir begann er, das Zeitgefühl abzulegen, weil es in seiner Welt der Ewigkeit kaum eine Bedeutung besaß.
    Amber hingegen maß ihr diese zu. Sie würde sich um ihn sorgen, weil er zu lange fortblieb. Amber. Wenn er seine Augen schloss, sah er ihr geliebtes Gesicht vor sich, den strahlenden Blick, der ihn erwärmte wie ein Kaminfeuer. Er liebte ihr ansteckendes Lachen ebenso wie ihren Eigensinn. Wenn sie ihn berührte, wich die Kälte aus seinem toten Körper. In diesem Augenblick vergaß er fast, ein Vampir zu sein, bis er ihren Herzschlag hörte und das pulsierende Blut, das durch ihre Adern rann und die Bestie in ihm in den Vordergrund drängte.
    Aidan breitete die Arme aus und glitt vom Wagen. Dass er ausgerechnet in einem Wagengrab erwachte, geschah sicher nicht rein zufällig. Bestimmt waren die Hexen daran beteiligt gewesen. Wenn er die zu fassen bekam. Mit dem Wagen fuhr der verstorbene Fürst ins Totenreich. Die gelöschten Erinnerungen, sein Gefangenhalten ... Natürlich! Jemand versuchte, ihn aus dem Weg zu räumen. Doch weshalb tötete man ihn nicht sofort?
    Wenn er nicht sterben sollte, blieb nur eine Möglichkeit. Eine eiskalte Hand griff nach seinem Herzen. Irgendjemand wollte ihn aus irgendwelchen Gründen von Amber fernhalten. Während er über seine Lage grübelte, schwebte sie vielleicht in Gefahr. Er musste raus hier, und zwar sofort. Jeder, der es wagte, ihr Gewalt anzutun, würde ihn als rasende Bestie erleben, die jeden Feind bis auf den

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