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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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Jeans.
    „Kevin!“
    Mit wenigen Schritten war sie bei ihm, warf sich auf die Knie. Das Erste, was sie erkannte, war das Blut in seinem Gesicht, das aus einer tiefen Wunde auf der Stirn quoll. Seine Augenlider flatterten, während er stöhnte. Er war verletzt, aber er lebte. Amber schluchzte erleichtert auf.
    „Kevin, oh, mein Gott. Was ist geschehen?“
    Anstelle einer Antwort spuckte er Blut und begann, am ganzen Körper zu zittern. Erst da erkannte Amber die unzähligen Wunden an seinem Hals und an den Armen, die die zerfetzten Ärmel entblößten, als hätte eine Raubkatze ihre Krallen in seine Haut gebohrt. Amber zog ihre Bluse aus, die sie unter der Jacke trug, und zerriss sie in Streifen. Einen wickelte sie um die Stirnwunde, andere um seinen Hals und Arme. Bei jeder Berührung sah sie Bruchstücke seiner Erinnerungen, als blicke sie durch seine Augen.
    Jemand verfolgte ihn, den er nicht sehen konnte. Sie spürte Kevins Angst, hörte seinen Herzschlag und den keuchenden Atem. Er rannte über die Wiese zu dem Gebüsch, als sein Verfolger ihn ansprang und zu Fall brachte. Das Hölzchen mit der Schutzrune entglitt dabei seiner Hand. Jetzt war er dem Angreifer ausgeliefert. Spitze Zähne bohrten sich in Kevins Rücken. Er schrie auf und versuchte, die Schutzrune zu greifen, die nur eine Handbreit vor seinem Kopf lag. Als er sie zu fassen bekam, ließ sein Peiniger von ihm ab. Dann wurde um Kevin alles dunkel.
    Welche Schmerzen und Angst hatte ihr Bruder erdulden müssen! Und sie trug dafür die Schuld. Wäre sie nur mit ihm gegangen, dann hätte sie ihn beschützen können. Amber umfasste ihren Bruder und zerrte ihn aus dem Gebüsch. Kevin wurde plötzlich von Krämpfen geschüttelt. Amber befürchtete, er könnte unter ihren Händen sterben. Das würde sie sich nie verzeihen. Sie durfte keine Zeit verlieren, er musste dringend in ein Krankenhaus. Verdammt, warum hatte sie mal wieder kein Handy mitgenommen?
    Die Krämpfe ließen nach, Kevins Atem wurde flacher. Ambers Furcht stieg ins Unermessliche. Sie musste stark sein für Kevin. Energisch wischte sie die Tränen fort und fasste ihm unter die Arme.
    „Komm schon, Kevin, komm zu dir. Du darfst jetzt nicht schlappmachen. Ich weiß, ich hab Scheiße gebaut, weil ich dich allein gehen ließ. Aber du musst verdammt noch mal weiterleben. Für Mom und für mich.“
    Kevin stöhnte in der Ohnmacht auf, als sie seinen Oberkörper nach vorn beugte. Amber drückte ihren Rücken durch und versuchte, ihn hochzuziehen, aber er war zu schwer.
    Den Gedanken, zum Schloss zurückzulaufen, verwarf sie, weil sie ihn nicht allein lassen konnte. Vielleicht kehrte Aidan zurück, um auch Kevins Blut zu trinken. Außerdem lauerten hier irgendwo der Dämon und weiß Gott welch weitere finstere Gestalt. Sie bettete Kevin zurück ins Gras und konzentrierte sich darauf, die Geister der Elemente zu rufen. Sie schloss die Augen und versuchte, die Furcht zu verdrängen, die das verhindern könnte. Es wollte ihr nicht gelingen, der Dämon blockierte sie noch immer.
    Amber schrak zusammen und wirbelte herum, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.
    „Samuel? Hilf mir. Mein Bruder ist schwer verletzt und muss in ein Krankenhaus.“ Amber richtete die Taschenlampe auf Kevin. Es war ihr in diesem Moment völlig egal, wieso Sam sich hier draußen rumtrieb. Vielleicht hatte ihn das Böse wieder mal fasziniert und angelockt.
    „Okay, natürlich.“
    Samuel trat an ihr vorbei, hockte sich neben Kevin und betrachtete ihn nachdenklich. Er drehte vorsichtig seinen Kopf auf die Seite und deutete auf die Wunden an seinem Hals.
    „Das Werk eines Vampirs im Blutrausch“, stellte er fest. „Dein Freund?“
    „Ja“, antwortete Amber.
    Als sie es bestätigte, fühlte sie sich erleichtert, es ausgesprochen zu haben, wenn da nur nicht das Gefühl bestünde, Aidan verraten zu haben. Durch Beths Erinnerungen bestand kein Zweifel mehr, dass er ein Mörder war. Vielleicht hatte Kevin versucht, den Mord zu verhindern und war selbst zum Opfer geworden. Wenn es nur nicht diesen unsäglichen Schmerz in ihrem Inneren gäbe.
    „Er hat auch Beth getötet. Sie liegt da drüben an dem Menhir.“ Amber deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Stein.
    „Ich hab dich gewarnt.“ Samuel hob Kevin auf die Arme.
    „Ja, das hast du“, gab sie leise zu.
    Für eine flüchtige Sekunde glaubte Amber, ein triumphierendes Aufblitzen in seinen Augen zu erkennen. Bereits vom ersten Augenblick an hatte er in Aidan einen

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