Mond-Elfe
»Allem Anschein nach ist dieses Wasser unverdorben«, bemerkte Cheiron. »Frei von Liebe, Haß oder Gift.«
So schien es zumindest. Nichtsdestoweniger nippten sie erst einmal vorsichtig von dem Wasser und siehe da, es war lieblich süß.
Jenny fiel ein, daß Cheiron über die Eigenschaften des Trinkwasserweihers schon lange, bevor sie hierher kamen, Bescheid gewußt haben mußte. Aber er verfolgte damit einen bestimmten Zweck, nämlich, daß die Kinder, die über ihre plötzliche Sehfähigkeit ungeheuer aufgeregt waren, in ihrem Übermut keine leichtsinnigen Risiken eingingen. Das gehörte zu einer Zentaurenerziehung dazu.
Che hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Er hatte es sicher geahnt.
»Mein Lieber«, sagte Chex, »ich glaube, ich würde es vorziehen, diese Nacht in unserem eigenen Heim zu verbringen statt auf irgendeinem fremden Feld. Es war alles in allem doch eine recht ermüdende Angelegenheit.«
»Nun gut«, sagt Cheiron. »Mädchen, wir werden wohl eure Unterstützung brauchen. Che reitet nicht besonders gern und kann auch noch nicht richtig fliegen, also bleibt uns nichts anderes übrig, als daß ihr ihn während unseres Fluges festhaltet.«
»Aber…«, sagten die beiden, wie aus einem Munde.
»In diesem Sinne«, ordnete Chex an, »steigt auf und nehmt ihn bei den Händen.«
Verblüfft taten sie, was Chex gesagt hatte. Jedes der Mädchen ritt nun einen Zentauren und beugte sich herunter, um eine von Ches kleinen Händen zu umfassen.
Dann gab Cheiron Che mit seinem Schweif einen leichten Peitschenhieb. Che wurde auf einmal so leicht, daß sie ihn durch den Zug ihrer vier Hände einfach in die Luft heben konnten. »Laßt bloß nicht los!« rief er laut.
Die beiden Zentauren peitschten sich leicht mit ihren Schweifen, breiteten die Flügel aus und sprangen gleichzeitig in die Höhe. Unmittelbar darauf flogen sie durch die Luft, in vollkommener Angleichung ihrer Bewegungen, während Che zwischen ihnen schwebte und Jenny jauchzend jubelte.
Jenny dachte die ganze Zeit, sie hätten auch schon vorher eigentlich auf diese Weise reisen können, vermutete aber, daß die beiden Zentauren die Mädchen erst ein wenig Erfahrung mit den neuen Brillen auf festem Boden sammeln lassen wollten. Sicherlich bezweckten sie damit auch, daß sich die kleine Gruppe erst kennenlernte, bevor sie ein solches Manöver wagten. Sie hatte in dieser kurzen Zeit schon eine Menge über Zentauren gelernt.
15
ELECTRAS ENTSCHEIDUNG
Electra blickte den Zentauren nach. Gwendolyn Kobold ritt auf Cheiron und Jenny Elfe auf Chex, während der kleine Che zwischen ihnen herumsprang. Ihre dreiköpfige Familie war auf fünf Mitglieder angewachsen, die alle glücklich aussahen. Darüber war Electra sehr froh. Sie wußte, daß die Zentauren ausgesprochen gut auf die Mädchen aufpassen würden, damit sie nicht nur glücklich und gesund sein, sondern auch die beste Bildung erhalten würden, die in Xanth zu haben war.
Die Belagerung des Koboldbergs war vorüber, noch bevor jemand getötet worden war. Kobolde waren zwar nicht gerade Electras Lieblingswesen, aber sie hatte gelernt, die langhaarige Godiva zu respektieren. Wenn eine Frau Anführerin der Kobolde wurde, dann wären die Kobolde sehr viel angenehmere Nachbarn!
Die Flügelungeheuer hoben ab. Einige waren offenbar enttäuscht, daß sie ihre furchtbaren Waffen nicht hatten einsetzen können, andere jedoch wirkten erleichtert, sich davonmachen zu können, bevor die Landdrachen eintrafen. Godiva, Nada und Nadas gutaussehender Bruder Naldo sowie Dolph blieben zurück. Nada und ihr Bruder unterhielten sich und erneuerten ihre Familienbande, während Dolph sich von den Ungeheuern verabschiedete.
Electra trat zu der Koboldin. »Ich denke, es ist schwer für dich, deine Tochter zu verlieren, selbst wenn es das Beste für sie ist«, sagte sie.
»Ich hätte sie auf eine schlimmere Weise verloren, wenn es nicht so gekommen wäre«, entgegnete Godiva, aber sie sah traurig aus. »Wenigstens werden sie mich öfter besuchen.« Sie zuckte die Achseln. »Aber ich glaube nicht, daß es eine ähnliche Lösung für dich gibt, Electra. Was wirst du in dieser Woche tun?«
»Was könnte ich schon machen? Che könnte ein Begleiter für beide Mädchen sein, aber Dolph kann nur eine von uns heiraten. Wenn ich vielleicht aussehen würde wie Nada…«
»Ihr Mädchen habt geholfen, Che Zentaur zu retten, und das hat zur Rettung meiner Tochter beigetragen«, meinte Godiva. »Mal sehen, was ich für dich
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