Mond-Elfe
werden wieder angreifen.«
»Ich werde dir deine Kleider später nachbringen«, sagte Godiva. »Wenn ihr euch erst einmal wieder gezeigt habt, werden sie die Belagerung beenden, und es wird einfacher werden, alles Notwendige zu erledigen.«
»Toll! Dann können wir also jetzt gehen.«
»Teil ihm auch deine zweite Botschaft mit, Jenny«, murmelte Godiva.
»Oh! Das hatte ich schon beinahe vergessen! Che, deine Zentaurenmutter möchte dich an das Bekenntnis des Nachthengstes erinnern.«
Eine Zeitlang war es still, dann sagte Che gerührt: »Genau das werde ich tun. Diese Möglichkeit ist mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen.«
»Was meinst du damit?« fragte Gwendolyn.
»Es ist ein bestimmtes Gesetz, das im Reich der Träume gilt, hier aber keine Bedeutung hat«, erklärte Che. »Ich glaube, meine Mutter fürchtet, ich könnte es nicht beachten, und wahrscheinlich hätte ich auch nicht daran gedacht. Ich muß mir seine Anwendung allerdings noch einmal genau überlegen.«
Jenny war frustriert. Welches Geheimnis steckte wohl dahinter? Warum sprach Che nicht darüber? Aber solange er es ihr nicht selber erklären wollte, würde sie auch nicht weiter in ihn dringen. Im Augenblick mußten sie so schnell wie möglich zurück ans Tageslicht, bevor ein weiterer Angriff erfolgte.
»Ich werde dich hinaufführen, Gwendolyn«, sagte Godiva. »Che wird mit Jenny gehen.«
»Ja, Mutter.« Es entstand eine Bewegung irgendwo im Raum, dann schälte sich neben Jenny ein undeutlicher Schatten heraus. Es war Che. Er nahm ihre Hand.
»Sammy!« rief Jenny. »Wo ist Sammy?«
Ein kleiner Fellball rieb sich schmeichelnd an ihren Beinen. Sie bückte sich, um den Kater aufzuheben.
Sie zogen gemeinsam zur Tür hinaus und durch den Stollen, immer paarweise, zwei und zwei. Es beruhigte sie, Che bei sich zu haben, der sie führte, denn sie wußte, daß er sehr gut sehen konnte und auch nicht zum Spaß irgendeinen Unfug mit ihr treiben würde. Sie verstand nun um so mehr, was dieser Gefährte für Gwendolyn bedeutete. Wenn man nicht sehen konnte, war ein verläßlicher Führer einfach lebenswichtig.
Sie traten ins strahlende Tageslicht hinaus. Jenny blinzelte. Die Tatsache, daß sie nichts sah, hatte keinen Einfluß auf ihre Lichtempfindlichkeit. Nur Formen und Gestalten in größerer Entfernung konnte sie nicht klar erkennen.
»Ich glaube, wir sind uns über die Bedeutung dieser Vereinbarung alle einig«, sagte Godiva.
»Das sind wir«, hörte sie Cheiron sagen.
Jenny ahnte, warum sie nicht weiter darüber sprachen, denn mit Sicherheit waren Kobolde und Flügelungeheuer in Hörweite. Jennys Sehschwäche war ja allgemein bekannt, aber Gwendolyns sollte auch weiterhin geheim bleiben.
»Gwendolyn soll auf mir reiten«, entschied Cheiron. »Wir werden zwar unsere Beine benutzen, da Che zu Fuß laufen muß, aber es besteht kein Grund, deine Tochter mit solch einem weiteren Fußmarsch zu belasten.«
»Ich verstehe«, sagte Godiva und half dem Mädchen auf seinen Rücken. Jenny erkannte, daß somit Gwendolyn für alle Ungeheuer und Kobolde klar ersichtlich unter Cheirons Schutz stand und daß der Belagerungszustand dadurch aufgehoben wurde. Auch konnte auf diese Weise niemand merken, daß Gwendolyn nicht sehen könne.
Es war also alles gut ausgegangen. Jenny merkte auf einmal, daß auch sie alles getan hatte, was sie tun konnte, und sie nun nicht länger gebraucht würde. Für sie war es an der Zeit, ihren Freunden Lebewohl zu sagen. Sie schluckte die Tränen herunter, denn sie wollte sich und die anderen nicht in Verlegenheit bringen.
Schließlich kam Che zu ihr. »Und du solltest auf meiner Mutter reiten, was du ja, wie ich glaube, schon einmal getan hast«, sagte er.
»Ich? Aber das war doch nur, um…«
»Bleiben wir denn nicht Freunde?«
»Ja, aber sicher doch, Che!« rief sie aus. »Aber nun bist du in Sicherheit und wirst anderes zu tun haben.«
»Ich möchte, daß du bei mir bleibst, bis du in deine Heimat zurückkehren kannst.«
»Aber Che! Du hast eine Gefährtin und deine Eltern…«
»Ich habe eine Gefährtin und auch eine Freundin. Ich möchte meine Freundin nicht verlieren.«
»Ich würde euch nur im Weg sein! Dein Vater und deine Mutter haben so viel zu tun und…«
»Falls eine Person das Urteil des Nachthengstes in seinem Reich anzweifelt, so hat er verfügt, daß derjenige, der die Rolle des anderen übernimmt, auch das Schicksal des anderen teilen soll. Das ist ein Teil seines Bekenntnisses und es ist
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