Mond über Manhattan
kämpften wir uns durch diese Lektoratssitzungen, zankten uns über die kleinsten Stilfragen. Für uns beide war das eine aufreibende Erfahrung (zwei verstockte Seelen, auf Leben und Tod aneinandergekettet), doch einigten wir uns nach und nach über jeden der strittigen Punkte, und Anfang März war die Arbeit erledigt.
Am nächsten Tag fand ich drei Bücher auf meinem Bett. Sie waren alle von einem Mann namens Solomon Barber geschrieben, und obwohl Effing sie beim Frühstück nicht erwähnte, nahm ich an, daß er es war, der sie mir dort hingelegt hatte. Das war typisch Effing - durchtrieben, unklar, scheinbar ohne Motiv -, aber inzwischen kannte ich ihn gut genug, um zu verstehen, daß er mir damit bedeuten wollte, die Bücher zu lesen. Daß es sich dabei nicht um eine beiläufige Bitte handelte, schien mir der Name des Autors ziemlich nahezulegen. Einige Monate zuvor hatte der Alte einmal das Wort «Konsequenzen» benutzt, und nun fragte ich mich, ob er sich etwa anschickte, davon zu sprechen.
Die Bücher handelten von amerikanischer Geschichte, und jedes war bei einem anderen Hochschulverlag erschienen: Bishop Berkeley und die Indianer (1947), Die verlorene Kolonie von Roanoke (1955) und Die amerikanische Wildnis (1963). Die biographischen Notizen auf den Schutzumschlägen waren dürftig, doch durch Zusammenfügen der verschiedenen Informationsbruchstücke erfuhr ich immerhin, daß Solomon Barber 1944 in Geschichte promoviert, zahllose Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht und an mehreren Colleges im Mittelwesten gelehrt hatte. Entscheidend war der Hinweis auf 1944. Falls Effing kurz vor seiner Abreise im Jahr 1916 seine Frau geschwängert hatte, mußte sein Sohn im Jahr darauf geboren worden sein; 1944 wäre er demnach siebenundzwanzig gewesen - genau das Alter, in dem man seinen Doktor macht. Alles schien zu passen, aber ich war nicht so dumm, irgendwelche voreiligen Schlüsse zu ziehen. Noch drei Tage mußte ich warten, bis Effing sich dem Thema näherte, und erst da erfuhr ich, daß ich richtig getippt hatte.
«Sie haben sich die Bücher, die ich Ihnen am Dienstag ins Zimmer gelegt habe, wohl nicht angesehen», sagte er mit so ruhiger Stimme wie jemand, der um ein Stück Zucker für seinen Tee bittet.
«Ich habe sie mir angesehen», sagte ich. «Ich bin sogar so weit gegangen, sie zu lesen.»
«Das überrascht mich, Junge. Ich fange langsam an zu glauben, daß doch noch etwas aus Ihnen werden könnte.»
«Aus jedem kann etwas werden, Sir. Sonst würde die Welt stillstehen.»
«Verschonen Sie mich mit Ihren Aphorismen, Fogg. Was halten Sie von den Büchern?»
«Ich finde sie bewundernswert. Gut geschrieben, überzeugend formuliert und voller Informationen, die mir gänzlich neu waren.»
«Zum Beispiel.»
«Zum Beispiel hatte ich nie etwas von Berkeleys Plan zur Erziehung der Indianer auf Bermuda gewußt, ebensowenig wie von den Jahren, die er auf Rhode Island verbracht hat. All das war für mich überraschend, aber das Beste an dem Buch ist die Art, wie Barber Berkeleys Erfahrungen mit seinen philosophischen Arbeiten über die Wahrnehmung in Beziehung setzt. Ich fand das sehr geschickt und originell, sehr tiefgründig.»
«Und die anderen Bücher?»
«Genau das gleiche. Auch über Roanoke hatte ich nicht viel gewußt. Barber liefert gute Argumente für die Lösung des Rätsels, finde ich, und ich neige dazu, ihm darin zuzustimmen, daß die verlorenen Siedler durch Anschluß an die Croatan- Indianer überlebt haben. Das Hintergrundmaterial über Raleigh und Thomas Harriot hat mir ebenfalls gefallen. Wußten Sie, daß Harriot der erste Mensch war, der den Mond durch ein Fernrohr betrachtet hat? Ich hatte immer gedacht, das sei Galilei gewesen, aber Harriot ist ihm um mehrere Monate zuvorgekommen.»
«Ja, Junge, das wußte ich. Sie brauchen mir keinen Vortrag zu halten.»
«Ich beantworte nur Ihre Frage. Sie fragten, was ich gelernt habe, und das habe ich Ihnen erzählt.»
«Widersprechen Sie mir nicht. Ich bin es, der hier die Fragen stellt. Ist das klar?»
«Klar. Sie können mich alles fragen, was Sie wollen, Mr. Effing, aber Sie brauchen sich nicht im Kreis zu drehen.»
«Was soll das heißen?»
«Das heißt, daß wir keine Zeit mehr zu vergeuden haben. Sie haben mir diese Bücher ins Zimmer gelegt, weil Sie mir etwas sagen wollten, und ich verstehe nicht, warum Sie das nicht einfach tun.»
«Meine Güte, ganz schön schlau heute, was?»
«Das kann man sich doch an zwei Fingern
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