Mond über Manhattan
erinnerte, und der Manager, der eine unerfreuliche Szene fürchtete, gab sich alle Mühe, ihm entgegenzukommen. Effing ließ sich auch weiterhin nicht in die Karten sehen. Er schlug es aus, sich von mir helfen zu lassen, und als er sein Sparbuch aus der Tasche zog, achtete er darauf, es vor mir verborgen zu halten, als fürchtete er, ich könnte sehen, wieviel Geld er auf seinem Konto habe. Solches Verhalten seinerseits konnte mich schon lange nicht mehr beleidigen, zudem stand fest, daß ich nicht das geringste Interesse an seinem Kontostand hatte. Als das Geld endlich bereit war, wurde es von einem Kassierer zweimal durchgezählt, und dann ließ Effing es zur Sicherheit noch einmal von mir zählen. Soviel Geld auf einem Haufen hatte ich noch nie zuvor gesehen, doch als ich mit dem Zählen fertig war, hatte es seinen Zauber eingebüßt, und das Geld war nur noch das, was es wirklich war: vierhundert Stücke grünen Papiers. Als ich ihm sagte, es sei alles da, lächelte Effing zufrieden und wies mich dann an, die Bündel in die Tasche zu packen, in der das Ganze auch ohne weiteres Platz fand. Ich zog den Reißverschluß zu, stellte die Tasche vorsichtig auf Effings Schoß und schob ihn dann aus der Bank. Auf dem Weg zum Ausgang machte er ein ziemliches Spektakel, schwang johlend seinen Stock, als gebe es kein Morgen mehr.
Draußen mußte ich ihn dann auf eine der Verkehrsinseln mitten auf dem Broadway schieben. Ein geräuschvoller Ort, Autos und Lastwagen rumpelten zu beiden Seiten an uns vorbei, aber Effing schien den Lärm gar nicht zu bemerken. Er fragte mich, ob jemand auf der Bank sitze, und als ich ihm versicherte, sie sei leer, sagte er mir, ich solle mich setzen. Die Tasche mit beiden Armen an die Brust gedrückt, dazu die dunkle Brille im Gesicht, wirkte er heute noch weniger menschlich als sonst, eher wie ein zu groß geratener Kolibri, der eben aus dem Weltraum gelandet war.
«Bevor wir anfangen, möchte ich meinen Plan mit Ihnen besprechen», sagte er. «In der Bank kann man nicht reden, und in der Wohnung hätte uns dieses zudringliche Weib belauschen können. Sie haben sich vermutlich schon eine Menge Fragen gestellt, und da Sie hierbei mein Gehilfe sein werden, wird es Zeit, mit der Sache herauszurücken.»
«Ich dachte mir schon, daß Sie früher oder später darauf zu sprechen kommen würden.»
«Die Sache ist die, junger Mann. Meine Zeit ist fast abgelaufen, und aus diesem Grund habe ich in den letzten Monaten meine Angelegenheiten geregelt. Ich habe mein Testament aufgesetzt, ich habe meinen Nachruf geschrieben, ich habe einiges in Ordnung gebracht. Nur eins berunruhigt mich noch - man könnte es eine unbeglichene Schuld nennen -, und nachdem ich jetzt ein paar Wochen darüber nachdenken konnte, bin ich endlich auf eine Lösung gekommen. Vor zweiundfünfzig Jahren habe ich, Sie werden sich erinnern, einen Sack voll Geld gefunden. Ich nahm dieses Geld an mich und benutzte es, um noch mehr Geld daraus zu machen, Geld, von dem ich seither gelebt habe. Jetzt, wo mein Ende bevorsteht, brauche ich diesen Sack voll Geld nicht mehr. Was soll ich also damit machen? Das einzig Vernünftige scheint mir zu sein, es zurückzugeben.»
«Zurückgeben? Aber wem wollen Sie es geben? Die Greshams sind tot, und denen hat es ja gar nicht gehört. Die haben das Geld von Leuten gestohlen, die Sie nicht kennen, von anonymen Fremden. Selbst wenn es Ihnen gelänge herauszufinden, wer das war, dürften sie inzwischen alle längst tot sein.»
«Ganz recht. Die Leute sind jetzt alle tot, und ihre Erben aufzuspüren dürfte unmöglich sein.»
«Genau das sagte ich doch gerade.»
«Sie sagten auch, diese Leute seien anonyme Fremde. Denken Sie darüber mal einen Augenblick nach. Wenn es in dieser gottverlassenen Stadt eins im Überfluß gibt, dann sind es anonyme Fremde. Die Straßen sind voll davon. Anonyme Fremde, wohin Sie auch blicken. Millionen davon laufen hier rum.»
«Das kann nicht Ihr Ernst sein.»
«Natürlich ist das mein Ernst. Ich meine es immer ernst. Das sollten Sie inzwischen wissen.»
«Sie wollen also sagen, wir sollen durch die Straßen ziehen und irgendwelchen Fremden Fünfzig-Dollar-Scheine in die Hand drücken? Das wird einen Aufstand geben. Die Leute werden durchdrehen, die reißen uns in Stücke.»
«Nicht, wenn wir die Sache richtig anfangen Es kommt nur auf einen vernünftigen Plan an, und den haben wir. Vertrauen Sie mir, Fogg. Das wird das Größte, was ich je gemacht habe, die Krönung
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