Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Die Balindi verschwanden einer nach dem anderen. Kambere spürte noch immer die Wärme. Er ging weiter den Hang hinauf, bis vor ihm seine Freunde sichtbar wurden. Als er sich umsah, war auch Mbusa wieder hinter ihm.
»Der Nebel ist heute besonders dicht, oder?«, sagte der.
»Ja«, gab Kambere zurück, während sich die Betäubung, die in seinem Kopf herrschte, langsam auflöste. Welche Aufgaben standen ihm bevor? Welche Bedrohung war das? Und vor allem: Welche Gaben hatte gerade er, um die Gefahr abzuwenden?
Über den Bergen im Norden braute sich ein Unwetter zusammen. Dunkle Wolken ballten sich zusammen, Schneewolken, die nur sehr selten ins Tal hinab kamen. Wer sich jetzt dort oben aufhielt, war vermutlich verloren. Die Temperaturen konnten schlagartig ins Bodenlose fallen, und der schneegespickte Wind riss alles mit sich, was sich ihm in den Weg stellte. So waren sie als Kinder davor gewarnt worden, auf die Berge zu steigen.
Sie erreichten den Lagerplatz. Hier würden sie nun noch zwei Tage bleiben. Als Kathya die Jungen zu sich rief, hielt Mbusa Kambere zurück.
»Du nicht. Wir beide gehen in den Wald.«
Kambere folgte seinem Lehrer verwundert in den dichten Wald, bis sie einen kleinen Sumpf erreichten. Sie setzten sich auf zwei Grasbüschel und blickten über die triefende Landschaft.
»Die Geister haben dich ausgewählt, um eine besondere Aufgabe zu übernehmen«, sagte Mbusa.
Kambere stöhnte auf. »Was wollt ihr denn alle von mir? Kann das nicht jemand anderes tun?«
»Ich verspreche dir, dass ich dich unterstützen werde, wenn du meine Hilfe brauchst«, beschwichtigte Mbusa ihn.
»Irgendeine Gefahr kommt auf uns zu ...«
»Die Anzeichen sind schon seit Langem da. Die Balindi sind seit vielen Wochen unruhig. Immer wieder sind Einzelne von ihnen verschwunden, waren tagelang fort, um dann völlig erschöpft wieder ins Tal zurückzukehren. Keiner weiß, wo sie in der Zwischenzeit waren. Die Geister sind kraftlos geworden.«
»Aber was soll ich tun? «
»Du bist kein normaler Junge. Nicht jeder kann so einfach mit seinen Ahnen kommunizieren. Alle deine Freunde da drüben lernen das erst in diesen Tagen. Aber du kannst sie schon seit Langem sehen. Und die Balindi waren vorhin um dich herum, hast du das vergessen? Sie waren um dich herum, weil sie dich beschützt haben. Keiner konnte wissen, welcher Geist auf dich zukommt. Es hätte auch Kathelhuli sein können, der Führer der bösen Geister.«
»Wie kommst du darauf?«
»Erinnerst du dich an die Schlange, die deinen Weg gekreuzt hat? Das war Ndyoka, der Geist des Wassers. Und die Stimmen, die sich im Nebel gestritten haben? Das waren Muthikura und Kihoni, zwei Geister, die dir unheilbare Wunden zufügen können. Sie sind von den Balindi vertrieben worden. Ich habe dir neulich schon gesagt: Wir brauchen sie, so wie sie uns brauchen. Wir leben hier in einer Symbiose zusammen, und wenn auch nur ein kleiner Teil wegbricht, kann sich alles verändern.«
Kambere war erschrocken. Er hatte nicht damit gerechnet, auf böse Geister zu treffen.
»Was wollen die von mir?«
»Sie versuchen deine Prüfung zu verhindern. Sie haben an Macht gewonnen, sie sind stärker geworden und manchmal übernehmen sie schon die Führung hier oben in den Bergen. All das Elend in der Welt um uns herum nährt sie. Sie wandern in die umliegenden Dörfer und zu den Menschen, sie wachsen durch die Trauer, das Leid und die Trostlosigkeit der Bewohner.«
»Woran leiden die Menschen?«
»Sie leiden an der Ungerechtigkeit ihrer Welt. Du musst wissen, dass es auf der anderen Seite anders ist als hier im Tal. Wir haben keinen Anführer, bei uns bestimmen die Frauen genauso wie die Männer. Wir gehen friedlich miteinander um. Doch das ist außerhalb unseres Dorfes nicht so. Deshalb sind unsere Großväter damals aufgebrochen. Sie wollten nicht länger in einer Welt der Gewalt und der Machtkämpfe leben. Sie sind aus der Region Kasese weg in die Berge gegangen, so wie das damals viele Menschen unseres Volkes getan haben. Aber die meisten sind in den folgenden Jahren wieder zurückgekehrt.«
»Wann war das?«
»Als mein Vater ein Kind war. In der Zeit davor wurde das Königreich Tooro begründet, das auch den Ruwenzori und die Bayira mit einschloss. Damals setzte sich ein neuer Präsident in Uganda auf den Thron und schränkte die Eigenständigkeit der Stämme drastisch ein. Da war für unsere Väter und Großväter der Zeitpunkt gekommen, zu handeln.«
»Hat damals niemand
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